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MORD AN DEN PROFESSOREN LWÓW (LEMBERG) JULI 1941

ZYGMUNT ALBERT

Fragment of book "Kazn Profesorow Lwowskich 1941" by Zygmunt Albert


Im dritten Jahr des andauernden II. Weltkrieges faßte Hitlerdeutschland den Entschluß die Sowjetunion anzugreifen. Man hatte sich darauf sorgsam vorbereitet, sowohl von militärischer als auch politischer Hinsicht aus. Gelegentlich der Zerstörung des sich gegenüber ideologish feindlichen Staates beschlossen die Deutschen sich nicht nur mit den Juden und sowjetischen Anführern auseinanderzusetzen, aber auch mit der polnischen Intelligenz, die östlich vom Fluß San wohnhaft war. Dabei handelte es sich nicht darum, die oben erwähnten Völkerschichten in Gefängnisse oder Konzentrationslager zu befördern, sondern um deren physische Vernichtung, ihr Ausrotten, wie es die Deutschen Öffentlich nannten.

Es soll hier übrigens wörtlich angefügt werden, was der General-Gouverneur Hans Frank, zum Thema der 1939 verhafteten Krakauer Professoren aussagte: „Man kann sich gar nicht vorstellen, wieviel Aufschneiderei wir mit den Krakauer Professoren hatten. Wenn wir diese Sache an Ort und Stelle erledigt hätten, würde sie einen ganz anderen Verlauf eingeschlagen haben. Ich bitte Sie, meine Herren, also innigst, daß Sie niemanden mehr in die sich im Reich befindlichen Konzentrationslager lenken, sondern die Vernichtung an Ort und Stelle vornehmen, oder die rechtsmäßige Strafe ansetzen mögen. Jede anderartige Handlungsweise bedeutet eine Belastung für das Reich und zusätzliche Erschwerung für uns. Es werden hier von uns ganz andere Methoden angesetzt, und wir müssen diese weiterhin anwenden" 1.

1 Okupacja i ruch oporu w Dzienniku Hansa Franka (Okkupation und Widerstandsbewegung im Tagebuch von Hans Frank), Bd. I: 1939-1942, Warszawa 1970, S. 217-218

Diese Rede richtete Frank an Vertreter der SS und Polizei am 30. Mai 1940, jedoch wurde sie nicht einmal der Gesamtheit des deutschen Volkes kundgegeben. Die Polen erfuhren diese verhängnisvolle Drohung erst nach dem Krieg, haben sie jedoch auf eigenem Leibe schon früher zu spüren bekommen — nach Kriegsbeginn im September 1939, denn die Vernichtung der polnischen Intelligenz, und der polnischen Führerschichten überhaupt, wurde schon vor dem Krieg beschlossen. Der britische Ankläger Sir David Maxwell-Fyfe führte am 29. August 1946, am 214. Tag des Nürnberger Prozesses, die Rede von Himmler an, die dieser 1941 an Offiziere der SS-Leibstandarten-Division hielt: „Sehr oft machen sich die Mitglieder der Waffen-SS Gedanken über Deportationen, die hier stattfinden. Auch ich habe mir dazu Überlegungen gemacht, als ich die so schwierige Arbeit der Sicherheitspolizei sah, die dort mit Hilfe unserer Leute ausgeführt wird. Genau so war es in Polen bei 40 Grad Frost, wenn wir Tausende, Zehntausende, Hunderttausende von Leuten treiben mußten, um — was Sie hier zu hören bekommen, jedoch sofort vergessen sollen — Tausende von hervorragenden Persönlichkeiten aus den Reihen der Polen, zu erschießen."

Mit dieser Zielsetzung wurden von Heinrich Himmler, dem Reichsminister, dem Oberbefehlshaber der nazistischen Polizei und gleichzeitig Befehlshaber der berühmten SS-Organisation: der Schutzstaffeln, Sonderabteilungen gegründet — die Einsatzkommandos. Diese Einheiten hatten zur Aufgabe, unter der Führung von hohen Offizieren der SS und Polizei, unmittelbar der Armee nachzufolgen, in die eroberten Städte mit fertiggestellten Proskriptionslisten einzuschreiten, die prominenten Personen sofort zu verhaften und diese zu erschießen. Hitler und Himmler machten die Warnung laut, daß die Handlungen dieser Sonderabteilungen weder der Kontrolle von Seiten der Staatsanwaltschaft noch der Gerichte unterstellt werden, und gleichwelche Versuche seitens dieser Instanzen, sich in die Tätigkeit dieser Abteilungen mischen zu wollen, würden infolge Mißbilligung, abgetragen werden.

Lwów wurde am 30. Juni 1941 von der deutschen Armee besetzt, die hier von einem Teil der ukrainischen Bevölkerung herzliche Begrüßung erfuhr. Sofort auch erschienen auf den Straßen zahlreiche Gruppen von ukrainischen Jugendlichen mit gelb-blauen Armbinden oder derfarbenen Schleifen im Rockaufschlag. Diese jungen Leute schleppten aus ,den Häusern Juden heraus und zwangen diese, das Glas von zerbrochenen Fensterscheiben, dessen ganze Mengen die Straßen bedeckten, mit nackten Händen wegzuräumen. Am nächsten Tag schritten in die Stadt einige Einsatzkommandos ein, darunter eins unter der Führung des SS-Brigadenführers Dr. Eberhard Schoengarth. Dieser Mann, im Range eines Generals, war schon den Polen im General-Gouvernement gut bekannt. Es war doch seine Abteilung, die am 6. November 1939, auf Himmlers Befehl, die Krakauer Professoren verhaftete und in Konzentrationslager versandte. Viele von ihnen starben im Lager oder kurz nach der Befreiung. Die Gruppe von Schoengarth begann ihre Tätigkeit in Lwów schon am nächsten Tag nach dem Einmarsch, indem sie vor allem die Juden verhaftete. Am 2. Juli vormittag verhaftete sie den ehemaligen Prämier-Minister in der Regierung der Republik Polen, den 59-jährigen Professor der Technischen Hochschule, Kazimierz Bartel. Seine Frau und Tochter wurden sofort aus ihrer Wohnung verwiesen und durften nur Sachen zum persönlichen Gebrauch mitnehmen. Der Professor wurde in dem Gebäude des ehemaligen Direktionsamts des Kraftwerkes in der Pelczynska-Straße untergebracht, wo sich dazumal der Sitz der Kommandantur der Schoen-garthner Gruppe befand.

Keiner von den Polen war sich dessen bewußt, daß die Verhaftung von Professor Bartel einzig ein Prolog in die Tragödie war, die sich hier am nächsten Tag abspielen sollte. Vom 3. auf den 4. Juli 1941, zwischen 22 Uhr abends und 2 Uhr nachts brachen einige Abteilungen, zusammengesetzt aus SS-Mitgliedern, Polizeileuten und der Feldgendarmerie auf, und unter der Führung von Offizieren der SS fuhren sie in verschiedene Richtungen der Stadt und verhafteten Professoren der Hochschulen in Lwów. Neben den Professoren wurden alle in der Wohnung befindlichen, über 18 Jahre alten männlichen Personen festgenommen. Meistens herrschte dabei fieberhafte Eile, es wurde befohlen, sich schnell anzukleiden (ein Teil der Professoren hatte schon geschlafen), gewöhnlich machte man eine flüchtige Durchsuchung und raubte bei Gelegenheit Gold, Devisen, andere Wertsachen — und in einem Fall gar eine Schreibmaschine. Die Leiter der einzelnen, die Verhaftung durchführenden Gruppen wußten genau, was für ein Schicksal den festgenommenen Professoren und deren Söhnen bevorsteht. Der Sohn von Professor Cieszynski, obwohl 20 Jahre alt, wurde nicht mit dem Vater festgenommen. Offensichtlich bewegte sich irgend etwas im Herzen des Offiziers, und er hat sich der Mutter erbarmt. Dies war der einzige Fall, wo ein Mann über 18 Jahre alt nicht festgenommen wurde. Der Polizei-Kommissar Kurt, welcher Professor Solowij verhaftete, fragte dessen Tochter — Frau Miesowicz — aus, ob sie außer dem sich in der Wohnung befindlichen, 19jährigen Sohn Adam, noch andere Kinder habe. Ohne sich darüber auszukennen, worum es dem Offizier geht, antwortete sie, sie habe noch eine Tochter. Danach gab sie noch eine bejahende Antwort auf dessen nächste Frage, ob sie die Möglichkeit habe, sich mit ihr zu treffen. Das war sicher der endgültige Grund dafür, daß ihr 19jähriger Sohn, zusammen mit dem 82jährigen Großvater, mitgenommen wurde. Diese zwei Beispiele zeugen davon, daß die Offiziere bei der Verhaftung der Väter wenigstens die Söhne am Leben lassen konnten, jedoch das Beispiel einer einzigen Ausnahme bestätigt nur die Regel der nazistischen Brutalität.

Der Leiter des Instituts für Pato-Anatomie, der 63jährige Professor Witold Nowicki wurde zusammen mit seinem 29jährigen Sohn Jerzy, einem Doktor der Medizin und Ober-Assistenten des Hygiene-Instituts verhaftet. Jerzy geriet im September 1939 in sowjetische Gefangenschaft, und dank rastlosen Bemühungen des Vaters wurde er im Frühjahr 1941 daraus entlassen, jedoch ein halbes Jahr später wurde er zusammen mit dem Vater von den Nazis ermordet.

Der 67jährige Kinderarzt Professor Stanislaw Progulski wurde mit seinem 29jährigen Sohn Andrzej, einem Ingenieur mitgenommen. Zum Glück war der zweite erwachsene Sohn damals nicht zu Hause, dank dessen konnte er sich vor dem Blutbad bewahren.

Zusammen mit dem 70jährigen Professor der Gerichts-Medizin Wlodzimierz Sieradzki wurde sein Untermieter Wolisch, und mit dem 44jährigen Professor der Chirurgie Wladyslaw Dobrzaniecki, sein Altersgenosse und Freund, Doktor der Rechte — Tadeusz Tapkowski, und der Mann der Hauswirtin — Eugeniusz Kostecki, verhaftet. Die Gestapo-Leute fragten Kostecki, ob er zum Dienstpersonal gehöre, und als dieser es verneinte, nahmen sie ihn mit.

Der Uberfal auf das Haus des Internisten Professor Jan Grek bewirkte auch das Verhaften des bekannten, bedeutenden Kritikers und Übersetzers von Kunstwerken der französischen Literatur — Tadeusz Boy-Zelenski. Er ist im September 1939 vor den Deutschen aus Warschau geflohen und hat sich hier bei seinem Schwager Jan Grek verborgen. Beide waren nämlich mit den zwei Schwestern Maria und Zofia Parenska verheiratet, die dann von Stanislaw Wyspianski in dessen Drama Wesele verewigt worden sind. Grek und Boy-Zelenski waren zur Zeit ihres Todes 66 Jahre alt.

Im Hause des 60jährigen Chirurgen Professor Tadeusz Ostrowski traf die Gruppe des Einsatzkommandos eine größere Anzahl von Personen an. Es versuchten hier nämlich sein Freund, ein Schüler von Rydygier, der 69jährige Chirurge Stanislaw Ruff mit seiner Frau Anna und dem 30jährigen Sohn Adam, einem Ingenieur, Schutz zu finden, auch die Krankenschwester und Aktivistin Maria Reymanowa, die Englisch-Lehrerin Katarzyna Demko und der 29jährige Priester, Doktor der Theologie Wladyslaw Komornicki. Sein Bruder war nämlich mit einer von den, aus der ersten Ehe stammenden Töchtern von Frau Ostrowska verheiratet. Alle Männer wurden verschleppt.

In den Häusern der Greks und Ostrowskis blieb es nicht nur beim Abführen der Männer. Nach zwei Stunden kehrten die Todesboten zurück, und in noch größerer Eile nahmen sie alle Frauen und das Dienstpersonal mit. Es ist zweifellos, daß Ziel für das Ermorden von Besitzern und Mietswohnern in diesen zwei Häusern einfach Raub war. Beide waren sehr reiche Häuser, voller Antike, wertvolle Teppiche und Gemälde. Die Nazis konnten mit Recht vermuten, daß sie hier auch von großem Wert Schmucksachen und Gold finden können. Weil man die Wohnung der Familie Ostrowski für sicher glaubte, haben hier die Adel-Familien Badeni und Jablonowski ihre wertvollsten Sachen zum Aufbewahren gelagert; so ist es also nicht verwunderlich, daß die Nazis beschlossen haben, all das zu rauben. Es kann hierbei auch der Holländer Pieter Nikolaas Menten seinen Anteil gehabt haben. Nachdem er nach dem ersten Weltkrieg in Polen ein Landgut gekauft hatte, waren ihm die Verhältnisse in Lwów gut bekannt. Da er oft in Häusern der reichen Familien, darunter auch Professoren-Familien verkehrte, wußte er gut, welche Häuser besonders reich waren. In der Tat erhielt dieser, damals eine SS-Uniform tragende Mensch, von der Gestapo einen Totenschein über die Ostrowskis, was ihm für einen Spottpreis, den Ankauf derer Wohnung ermöglichte, und — was auch möglich zu sein scheint — der Wohnung von Greks. Ob er zur Zeit der Verhaftung der Professoren schon in Lwów oder gar einer von den Verhaftenden war, das hat das holländische Gericht nicht bewiesen. Es wurde ihm jedoch vom Gericht in Amsterdam nachgewiesen, daß er an der Spitze von Gestapo-Leuten eine große Gruppe von Polen und Juden, die Nachbarn von seinem Landgut Urycz und Podhorodce, ermordet hat. Dies war seinerseits eine Rachetat, verbunden mit einem Blutbad für die Juden. All das zeugt davon, daß dieser Mensch keine Bedenken tragen würde, die Professoren zu ermorden, um ihr Vermögen an sich zu reißen.

In dieser unvergeßlichen Nacht wurden auch der 49jährige Frauenarzt, der Dozent Stanislaw Maczewski und der 40jährige Augenarzt, der Dozent Jerzy Grzedzielski verhaftet. Der letztgenannte wurde an Stelle seines schon verstorbenen Chefs, des Professors Adam Bednarski genommen. Als die Nazis in die Wohnung der Witwe eindrangen, und diese erklärte, ihr Mann sei gestorben, fragte man sie, wer sein Nachfolger wäre. Wahrheitsgemäß und ahnungslos nannte sie den Namen von Grzedzielski. Die Nazis fuhren sofort in dessen Wohnung und verhafteten ihn. Professor Roman Rencki, ein 74jähriger Facharzt für Innere Krankheiten kehrte erst vor 3 Tagen aus dem Gefängnis zurück, und jetzt fiel er in die Klauen der Gestapo. Der 51jährige Chirurge, Professor Henryk Hilarowicz wurde auch der Gruppe von Verhafteten beigesetzt. Er war der dritte vorzügliche Chirurge, der in dieser Nacht verhaftet wurde.

Neben der Medizinischen Fakultät, die binnen einer Nacht 12 Professoren und Dozenten verloren hat, mußte die Politechnische Hochschule ihrer, samt Professor Bartel, 8 einbüßen. Der Leiter des Lehrstuhls für Mathematik, der 57jährige Wlodzimierz Stozek wurde zusammen mit seinen 2 Söhnen verhaftet: dem 29jährigen Ingenieur Eustachy und dem 24jährigen Absolventen der Politechnischen Hochschule, Emanuel. Den Leiter des Lehrstuhls für Geodäsie, den 61jährigen Professor Kasper Weigel hat man samt dessen 33 jährigen Sohn, Jozef — einem Magister der Rechte — festgenommen. Der 52jährige, verhaftete Leiter des Lehrstuhls für Theoretische Mechanik, Professor Kazimierz Vetulani wohnte allein, und nur dessen Nachbarin Lidia Szargulowa sah durch die Türscheibe, daß die Gestapos ihn, vor sich pheifenden, die Treppe hinunter und zum Auto führten. Dasselbe Schicksal traf den 55jährigen Leiter des Lehrstuhls für Maschinelle Messungen, Professor Roman Witkiewicz. Mit ihm zusammen hat man seinen Untermieter, den Pedell der Politechnischen Hochschule, Jozef Wojtyna festgenommen. In derselben Nacht hat eine andere Verhaftungs-Equipe den Bruder der Gattin von Professor Witkiewicz, den 43jährigen Leiter des Lehrstuhl für Ansteckungskrankheiten Kleiner Tiere der Akademie für Weterinär-Medizin, Professor Edward Hamerski verhaftet. Inmitten anderer verhafteten Wissenschaftler der Politechnischen Hochschule war der 60jährige Leiter des Lehrstuhls für Erdöl- und Erdgastechnologie, Professor Stanislaw Pilat. Nach diesem hervorragenden Sachkundigen der genannten Fachrichtung, fahndeten einige Tage nach seinem Tode die deutschen Behörden, da sie den Wunsch hegten, dessen großes Wissen auszunutzen. Zu spät. Auch der 53jährige Leiter des Lehrstuhls für Elektro-Messungen und Leiter des Elektrotechnischen Labors, Professor Wlodzimierz Krukowski, fiel der Gestapo zu Opfer. Als letzter unter den 8 verhafteten Professoren der Technischen Hochschule war der 60jährige Leiter des Lehrstuhls für Mathematik, Antoni Lomnicki.

Neben den 12 Professoren der Medizinischen Fakultät verlor die Universität in dieser unvergeßlichen Nacht weitere 2 Professoren.

Einer von ihnen war der schon erwähnte Leiter des Lehrstuhls für Romanistik, Tadeusz Boy-Zelenski, und der zweite, der 56jährige Leiter des Lehrstuhls für Zivilrechte, Professor Roman Longchamps de Berier. Zusammen mit dem letztgenannten wurden gar seine 3 Söhne festgenommen: der 25jährige Bronislaw Absolvent der Technischen Hochschule, der 23jährige Zygmunt — auch Absolvent der Technischen Hochschule, und der 18jährige Kazimierz — Absolvent des Gymnasiums. Einzig den vierten, den 16jährigen Sohn hat man der unglücklichen Mutter dagelassen.

Das Verhalten der Gestapo-Leute während der Verhaftungen war unterschiedlich; seltener vom relativ gelingen, öfter zum brutalen. Frau Dr. Hilarowicz erzählte mir die folgende Geschichte:

Als ihr Mann sich ankleidete, und sie selbst höchst aufgeregt war, haben Offiziere der Gestapo, ihre zwei Katzen auf dem Arm streichelnd, ihr mit unverhehltem Spott die Frage gestellt, warum sie sich so aufrege, und ob sie vielleicht die Unschuld ihres Gemahls bezweifele. Dabei wußten sie doch genau, daß sie ihren völlig unschuldigen Gatten, mit dem Todesurteil in ihren Händen, festnehmen.

Olga Nowicka wollte ihrem Gatten Seife und Handtuch mitgeben, worauf sie die rohe Wahrheit zu hören bekam: „Er braucht das nicht". Als ich sie einige Wochen später mit den Worten, ihr Gemahl und Sohn seien bestimmt irgendwo in einem Lager, zu trösten versuchte, kam sie immer wieder mit der Frage auf, warum aber einer der Gestapo-Leute gesagt habe, daß „er das nicht brauche"? Leider wußte dieser genau, was er sagte.

Nachdem die Gestapo-Leute ins Haus von Professor Longchamps de Berier eingedrungen waren, stießen sie dem Professor das Zigarettenetui aus der Hand, erlaubten den Verhafteten nicht die Mäntel mitzunehmen, schrieen, daß ihnen das alles unnützig sei, erlaubten Frau und Mutter nicht sich mit ihren Familienangehörigen zu verabschieden und diese zum Haustor zu begleiten. Professor Cieszynski wurde nicht erlaubt sein Arzneimittel gegen ein Herzleiden mitzunehmen, obwohl er es seit längerer Zeit eingenommen hatte. In den Wohnungen der Familien Ostrowski, Cieszynski, Grek und Hilarowicz plünderte man vor allem Gold, Schmucksachen und ausländisches Geld, indem man sich damit die Taschen vollsteckte.

Wie dazu die Wirtin von Professor Dobrzaniecki, Jozefa Kostecka schrieb, holten die Nazis aus der Kasse Schmucksachen und Dollars heraus, und packten 3 Paar särnischlederne Handschuhe und andere Sachen in Koffer, die sie dann mitnahmen. Im Hause gab es zahlreiche Antik-Waren, persische Teppiche, Gemälde von bekannten polnischen Malern; all das wurde geraubt und 3 Tage nach der Ermordung mit Autos weggeschafft.

Alle Verhafteten wurden in die ehemalige Abrahamowicz-Anstalt in der Abrahamowicz-Straße (jetzt Boy-Straße) gebracht. Das Verhalten der Gestapo-Leute gegenüber den hier Verhafteten war überaus brutal: Der Ingegenieur Adam Ruff wurde erschossen, als er einen epileptischen Anfall bekam: Frau Ostrowska wurde gezwungen, das Blut vom Fußboden zu wischen, und als ihr dabei ein unter der Bluse versteckter Beutel mit Schmucksachen herausfiel, hat ihn ihr der Gestapo-Mann nicht nur weggerissen, sondern auch ihr noch einen starken Fußtritt versetzt.

Es soll hier angefügt werden, was Professor Groër aussagte, der einzige von den verhafteten Professoren, der am Leben blieb: „Wir wurden mit Autos in die Abrahamowiczöw-Burse gebracht. Das Auto fuhr in den Hof ein. Mit brutalem Aufdrängen wurden wir in das Gebäude eingepfercht, und im Korridor, mit dem Gesicht gegen die Wand gewandt, nebeneinander gestellt. Es waren dort schon viele Professoren. Wir mußten mit gesenktem Kopf stehen. Wenn sich jemand rührte, schlugen sie ihm mit dem Kolben oder der Faust auf den Kopf. Einmal, als eine neue Gruppe von Verhafteten hereingeführt wurde, versuchte ich meinen Kopf zu wenden, aber nachdem ich sofort einen Schlag mit dem Kolben drauf bekam, habe ich es nicht wieder versucht. Es war wohl 12 Uhr 30 in der Nacht, und ich stand so regungslos ungefähr bis um 2 Uhr. Mittlerweile wurden immer neue Professoren herbeigeführt und daneben angestellt. Ungefähr je 10 Minuten ließen sich aus dem Keller des Gebäudes Schrei und ein Widerhall von Schüssen hören, und einer von den uns überwachenden Deutschen sagte nach jedem Schuß »Einer weniger«, was ich eher, als einen Versuch uns zu erschrecken glaubte. Alle paar Minuten wurde der Name eines von den Professoren hervorgerufen, und dieser in das links gelegene Zimmer einzeln aufgefordert. Ich erinnere mich gut daran, daß der Name von Professor Ostrowski gerufen wurde, und nach ihm wurde ich als zehnter, vielleicht zwölfter hervorgerufen. Ich befand mich dann in einem Zimmer, in dem 2 Offiziere waren; ein jüngerer, der mich verhaftet hatte, und ein zweiter von höherem Rang, groß gewachsen und von mächtiger Gestalt. Der zweite schrie mich gleich an: „Du Hund, bist Deutscher, und hast dein Vaterland verraten! Du hast den Bolschewiken gedient!“

Warum bist du, als das möglich war, nicht mit allen Deutschen nach dem Westen ausgereist?« Ich begann zu erklären, zuerst mit gewöhnlicher Stimme, und dann, in dem Maße, wie dieser immer lauter schrie, mit erhobener Stimme, daß ich zwar deutscher Abstammung, aber Pole bin. Darüber hinaus hätten es mir die sowjetischen Behörden nie gestattet, wenn ich es dazumal auch hätte machen wollen, wegen meiner hohen gesellschaftlichen Stellung, die ich bekleidete, und wo ich unentbehrlich war. Man fragte mich auch, was die Visitenkarten englischer Konsule bedeuten sollten, die ich besaß. Ich antwortete, daß ich mit einer Engländerin verheiratet bin, und daß uns die englischen Konsule immer Besuche abgestattet hätten. Am Ende begann er ruhiger zu sprechen und sagte: »Ich muß mit dem Chef sprechen. Wir wollen sehen, was sich für dich noch machen läßt.« — wonach er aus dem Zimmer hinausrann.

Der Offizier, der mich verhaftet hatte, sagte schnell: »Das hängt nur von ihm ab, der hat doch hier keinen Chef. Sag ihm, du hast eine wichtige medizinische Erfindung gemacht, die für die Wehrmacht nützlich sein könnte. Vielleicht hilft dir das«. In diesem Augenblick kam der andere zurück, jedoch hatte ich keine Zeit auch noch ein Wort zu sagen, denn sofort wurde ich hinter die Tür hinausgeschmissen. Es wurde mir befohlen, auf die andere Seite zu gehen, d.h. auf die linke Seite des Korridors; ich durfte mich auf einen Stuhl setzen und eine Zigarette anzünden. Man reichte mir sogar ein Glas Wasser. Neben mir standen in nachlässiger Haltung die Professoren Solowij und Rencki. Nach einer Weile fragte sie einer der Gestapo-Leute wie alt sie seien, worauf diese, wie mir scheint, 73 und 76 Jahre alt, angaben3. Ich war überzeugt, daß man sie, ihres Alters wegen, gleich freilassen wird. Ich kam auch zur Überzeugung, daß meine Angelegenheit vielleicht schon besser steht. Nach kurzer Zeit befahl mir jener »Chef« auf den Hof hinauszugehen, dort zu spazieren, und fügte hinzu: »Verhalte dich so, als wenn du nicht verhaftet wärest!« Ich begann in dem Hof auf und ab zu gehen, wobei ich eine Zigarette nach der anderen rauchte. Die Hände hielt ich in den Hosentaschen. So verging wieder eine längere Zeit. Mit einem Mal traten von außen, von der Straße her, zwei Gestapo-Leute in den Hof. Es soll hier angemerkt werden, daß der Hof samt dem Gebäude von Posten überwacht wurden. Die eben Hereingekommenen erblickten mich, liefen auf mich los, schlugen mir ins Gesicht, wobei sie wie toll auf mich brüllten, warum ich hier im Hof herumlaufe, dazu mit Händen in den Hosentaschen.

3 Tatsächlich waren sie 82 und 74 Jahre alt. Kazn...

Ich erklärte, daß ich den Auftrag bekommen habe, mich so zu verhalten, als ob ich nicht verhaftet wäre. Sie brummten irgend etwas vor sich hin, hörten sofort auf, sich für mich zu interessieren, und traten ins Gebäude, Es war wohl 4 Uhr morgens, als aus dem Gebäude eine Gruppe von etwa 15-20 Professoren herausgeführt wurde. An der Spitze dieses Zuges trugen vier Personen die blutende Leiche des jungen Ruff. Es waren die Professoren: Nowicki, Pilat, Ostrowski und, ich glaube, Stozek. Gleich hinter ihnen ging Witkiewicz. Bald danach, als dieser Zug durch das Tor zur Abrahamowicz-Straße hinausgegangen war, und mir aus den Augen verschwand, zwangen die Gestapo-Leute Frau Ostrowska oder vielleicht Frau Grek oder Ruff, das Blut von der Treppe zu wischen. Es vergingen an die 20 Minuten, als ich Schüsse hörte, die irgendwo von den Wuleckie-Hügeln her kamen.

Nach kurzer Zeit trat durch dieselbe Hintertür des Gebäudes eine neue Gruppe von 20-30 Personen in den Hof, und stellte sich in 2-3 Reihen, mit dem Gesicht zur Wand gewandt auf. Unter ihnen konnte ich nur den Dozenten Maczewski erkennen. Gleich danach wurde die Dienerschaft der Familien Dobrzaniecki4 Ostrowski (Köchin und Zimmermädchen), Grek (Köchin und Zimmermädchen) und die bei der Familie Ostrowski wohnende Englisch-Lehrerin aus dem Gebäude in den Hof hereingeführt. Der mir von der Untersuchung schon bekannte Chef der Gestapo-Leute stellte die Frage, ob sie alle zur Dienerschaft gehören, was die Lehrerin verneinte, indem sie erklärte, wer sie sei. Da befahl er ihr, höchst aufgebracht, sofort zur Gruppe derer herüberzugehen, die mit dem Gesicht zur Wand gewandt standen, und daraufhin sagte er laut zu seinem Kollegen, daß diese (er zeigte mit dem Finger auf diejenigen, die an der Wand standen) ins Gefängnis kommen, und jene (er wies auf die Dienerschaft und mich hin) frei sind. Wie ich beobachten konnte, sprach die Dienerschaft mit den Gestapo-Leuten und einem Agenten im Zivil5. Die Gestapo-Leute erklärten der Dienerschaft: sie dürften jetzt nach Hause gehen, ihre Sachen nehmen und sich begeben, wohin sie wollen. Sie sollten sich eine Arbeit suchen. Jetzt werde es ihnen gut gehen. Es werde kein Polen und keine Sowjets mehr geben, und hier werden nun schon immer nur Deutsche sein.

4 Die Hauswirtin von Prof. Dobrzaniecki wurde nicht verhaftet, sondern ihr Mann, der nicht zum Dienstpersonal gehörte.
5 Das war der Pedell Wojtyna, verhaftet zusammen mit Prof. Witkiewicz und dann entlassen.

Als ich schon auf dem Weg war nach Hause zu gehen, trat ich an einen der Gestapo-Leute und fragte, wohin ich mich zu wenden habe, um meinen Fotoapparat zurückzubekommen. Dieser wies mir auf ein Zimmer hin, in dem ein anderer saß und die angesammelten Sachen ordnete. Da ich Angst hatte, die könnten sich an die 20 Dollar erinnern, die ich bei mir hatte, gab ich sie diesem ab, und er gab mir meine Sachen zurück. Als ich schon das Zimmer verlassen hatte, kam er mir nachgelaufen und sagte: »Hör mal, lasse uns hier deine genaue Adresse, denn wenn eine andere Mannschaft kommt, sind die imstande, dich abermals festzunehmen — so tragen wir dich hier ein, damit man dich nicht mehr belästigt«6. Er schrieb meine Adresse in ein Notizheft, wonach ich das Gebäude verließ, auf die Straße trat und mich nach Hause begab. An demselben Morgen, aber etwas später, als ich auf dem Weg zur Klinik war, traf ich in der Nähe der Wohnung von Professor Ostrowski einen von den Unteroffizieren der Gestapo, der mich verhaftet hatte. Dieser sagte zu mir lächelnd: »Da haben Sie aber Glück gehabt!« Einige Tage später kamen in meine Wohnung 2 Unteroffiziere, die mich zuvor verhaftet hatten, mit der Frage, ob ich ihnen einen Fotoapparat und Teppiche verkaufen könnte. Bei diesem Besuch konnte ich ihre Namen kennenlernen: einer hieß Hacke, der andere Keller oder vielleicht auch Köhler. Während der nächsten 2-3 Monate kamen sie noch mehrmals zu mir, obwohl ich von den Deutschen aus meiner Wohnung verwiesen wurde, und erheuchelten von mir verschiedene wertvolle Gegenstände, wie z.B. Fotoapparate, deren ich eine ganze Kollektion besaß. Einmal wagte ich Keller zu fragen, was mit den anderen Proffessoren geschehen sei. Er winkte nur mit der Hand ab und sagte: »Die haben sie alle erschossen, damals in der Nacht... Es ist nicht auszuschließen, daß Professor Groër seine Entlassung der noch vor dem Krieg angeknüpften Bekanntschaft mit dem Holländer Pieter v. Menten, zu verdanken hatte, der im Juli 1941 in Lwów in der Uniform der Hitler-Formation SS erschien, und eben der Gruppe des SS Generals Schoengarth angehörte. Wie schon angedeutet, hat Menten vor dem Krieg in Polen ein Landgut gekauft, und knüpfte gern Bekanntschaft mit Angehörigen der polnischen Elite an. Dieser Mann hat die polnischen Professoren-Häuser gut kennengelernt, und konnte jetzt hinweisen, welche Familien es sich zu ermorden lohnte, um ihre Güter an sich zu reißen. Ein Beweis dafür, daß Menten Groër vor dem Tod retten konnte, ist die folgende Tatsache: Als gleich nach dem Krieg, vor dem holländischen Gericht in Amsterdam gegen Groër, wegen dessen den Nazis gegenüber erwiesenen Diensten, eine Verhandlung stattfand, hat Groër, demnach was mir 1980 der holländische Rechtsanwalt Peters gesagt hat, eine Erklärung für das Gericht darüber ausgestellt, daß Menten sich der polnischen Bevölkerung und den Juden gegenüber gut verhalten habe.

6 Dennoch wurde Prof. Groër am 11. November 1942 zusammen mit 15 anderen Ärzten verhaftet.

Erst 1980 erfuhren wir, daß Menten zusammen mit anderen Gestapo-Leuten 1941 auf seinem Gut und in dessen Umgebung, d.h. in Urycz und Podhorodce die Polen und Juden ermordet hat.

Das Gerücht darüber, daß Professor Groër bewahrt blieb, weil er den Nazis in der Abrahamowiczöw-Anstalt erklärt habe, daß er sich als Deutscher fühle, ist mehr als unwahr. Vor allem wurde er kurz nach seiner Entlassung, am 4. Juli von den Deutschen aus seiner Wohnung verwiesen, was, wie wir gut wissen, diese nie ihren Mitbürgern gegenüber taten. Als von den Deutschen 1942 in Lwów die Medizinische Fakultät eröffnet wurde, hat Frau Dr. Hildegarde Charlotte Becker aus Hamburg in der Klinik von Groër arbeiten wollen. Ich habe die ihr vom Direktor des Lehrstuhls, einem Deutschen, dem Dozenten Karl Schulze, erteilte Antwort gelesen. Dieser erklärte ihr, daß sie als Deutsche nicht einem Nicht-Deutschen Groër unterstehen kann. Sie werde aber eine feste Anstellung im Institut für Pathologie, das von einer Deutschen, der Frau Schuster geleitet wird erhalten, und dann werde sie bei Professor Groër arbeiten können. Und endlich, als am 11. November 1942 die Gestapo, aus Furcht, es könnte zu einem Aufstand kommen, fast 80 Polen, darunter 10 Dozenten und Professoren der Medizinischen Fakultät, als Geiseln verhaftete, war unter ihnen auch Professor Groër. All das zeugt davon, wie unbegründet es war, ihn zu verdächtigen, er habe die polnische Staatsangehörigkeit abgeschwört.

Viele Professoren der Technischen Hochschule wohnten in der Nabielaka-Straße, die den Wuleckie-Hügeln gegenüber entlanglief, auf denen sich in gewisser Nähe die Abrahamowiczöw-Erziehungsan-stalt befand. Das Verhaften der in dieser Straße wohnenden Professoren stellte auf die Beine nicht nur deren Familien, sondern auch Nachbarn. Viele von ihnen sahen mit Bangen, hinter den Gardinen lauernd, dem anbrechenden Morgen entgegen. Wir bringen hier ihre Berichterstattungen. Der Ingenieur Tadeusz Gumowski wohnte mit seiner Familie in der Nabielaka-Straße 53. In der Nacht vom 3. zum 4. Juli 1941 wachten sie auf, weil es eine Kontrolle des Meldebuchs gab, die von Deutschen und Ukrainern durchgeführt wurde. Er erzählt:

„[...] Einige Zeit blieb ich im Garten sitzen. Es begann zu grauen, und da bemerkte ich, daß auf der Böschung der Wuleckie-Hügel Soldaten eine Höhle ausgraben. Das beunruhigte mich sehr. Ich benachrichtigte meine Familie davon, und von nun an traten wir nicht mehr vom Fenster weg. Die Höhle war nach etwa 30 Minuten fertig ausgegraben. Die Verurteilten wurden hierher zu viert, von Seite der »Abraham« Gebäude (denn so hießen, so weit ich mich erinnere, diese Gebäude) 7 herbeigeführt, und direkt am Rande der Grube, mit dem Gesicht zu uns gewandt, nebeneinandergestellt. Das Exekutionskommando stand auf der entgegengesetzten Seite der Grube8. Nach der Salve fielen fast alle unmittelbar in die Grube hinein. Witkiewicz bekreuzigte sich, und in diesem Augenblick fiel er in die Grube. Die Verurteilten waren nicht gefesselt. Wir zählten die Vierer-Gruppen. Soweit ich mich erinnere, waren ihrer etwa fünf. Unter den Verurteilten waren, glaube ich, 3 Frauen. Das Ganze dauerte nicht lange, denn die nächsten Vierer-Gruppen warteten in der Nähe auf ihre Reihe. Nach der Exekution wurde die Grube schnell zugegraben und die Erde festgestampft. Das Grab gruben Soldaten zu. Die Exekution beobachteten wir mittels nur einem Fernglas, das wir uns gegenseitig reichten. Außer mir beobachteten die Exekution mein Vater, meine Frau und die Schwester. Diese Schwester ist im Ausland. Die restlichen Personen leben nicht mehr. Wir führten unsere Beobachtung von demselben Zimmer und demselben Fenster aus. Ich selbst habe au ßer Professor Witkiewicz niemanden mehr erkannt. Ich erinnere mich gut daran, daß die übrigen Personen einige Personen erkannt haben, u.a. Professor Stozek mit seinen Söhnen, Professor Ostrowski mit seiner Gemahlin, Professor Longchamps, glaube ich, mit Gemahlin9 und andere. Eine von den Frauen hatte einen hellblauen Schal. Drei Frauen waren, glaube ich, dabei. Eine von ihnen, die nicht gehen konnte, schleppten 2 Soldaten. Ich gebe hier die Adresse meiner Schwester an: Zofia Nowak-Przygodzka, Paris VII 31 rue Rousselet. Es wurden ungefähr 20 Personen erschossen. Keiner von den Verurteilten bekam nach der Salve hinterher noch einen Revolver-Schuß. Es ist also wahrscheinlich, daß manche von ihnen bei lebendigem Leibe vergraben wurden. Am zweiten oder dritten Tag nach der Exekution begab ich mich mit meiner Schwester, oder vielleicht Frau, zu diesem Grab. Es war verhältnismäßig wenig merkbar, und wir fanden es nur, weil wir die Stelle genau kannten. Es lag ein Blumenstrauß darauf.

7 Die richtige Bezeichnung: Zaklad Wychowawczy im. Abrahamowiczow (Erziehungsanstalt namens Abrahamowicz).
8 Irrtum, sonst würden sie nicht in Richtung des Abhangs geschossen haben, sondern in Richtung der Wohngebäude in der Nabielak-Straße.
9 Die Gattin von Prof. Longchamps wurde nicht verhaftet.

Es kann sein, daß dies für die Deutschen ein Zeichen war, daß die Stelle, wo das Grab ist, Unbefugten bekannt ist, und darum wurden die Leichen nach einigen Tagen wahrscheinlich ausgegraben und irgendwohin versetzt10. Die Exhumation habe ich nicht gesehen. Wir haben dies nur vermutet, weil nach einigen Tagen genau ersichtlich war, daß das Grab umgegraben worden war [...]".

Die Schwester von Ingenieur Gumowski, Dr. med. Zofia Nowak–Przygodzka, nach dem Krieg wohnhaft in Paris, gab folgendes an:

„[...] In Lwów habe ich in der Nabielak-Straße 53 gewohnt, direkt neben dem Haus, wo die Professoren der Wohngesellschaft der Technischen Hochschule wohnten, und dem Haus von Professor Witkiewicz. Diese Villa ist auf einem 12 Meter hohen Damm gelegen, einige hundert Meter vom Wuleckie-Hügel entfernt, auf dem sich die Abrahamowicz-Erziehungsanstalt und das II. Studentenheim der Technischen Hochschule befanden.

In der kritischen Nacht bin ich, wie üblich, aufgestanden, um zu meinen kleinen Kindern heranzutreten. Wie üblich in diesen Zeiten, ging ich auch von Fenster zu Fenster, um nachzusehen, ob sich dort nicht etwas zuträgt. Wir lebten damals in ständiger Angst wegen unablässigen Besuchen und Revisionen der Nazis (2 Nächte vorher hat man in meinem Haus nach Professor Witkiewicz gesucht, der auch in derselben Nacht zusammen mit anderen Professoren der Technischen Hochschule verhaftet wurde).

Meine Aufmerksamkeit wurde auf den Wuleckie-Hügel gelenkt, wo ein ungewöhnlicher Betrieb von einigen Personen zu sehen war, die irgendwas in der Erde gruben. Ich weckte meine Eltern (sie leben nicht mehr) und wir begannen dies zu beobachten, wobei wir aufpaßten, daß wir nicht gesehen werden. Nach einiger Zeit erblickten wir, daß vom Gipfel des Wuleckie-Hügels, von linker Seite die Abwege entlang, Menschen hintereinander herabzusteigen begannen: Ich habe Soldaten in deutscher Uniform und mehr als zehn Zivilpersonen gesehen. Am Ende gingen Frauen (vielleicht drei), eine hatte einen Schal um, der gut zu sehen war, denn er flatterte im Wind. Die Soldaten halfen manchen Personen heruntersteigen.

Nachdem alle auf eine Ebene getreten waren, wo zuvor gegraben wurde, stellte man einige Personen nebeneinander. Wir hörten trockene, leise Knalle (von Schüssen), die Personen verschwanden aus der Reihe.

Sobald die erste Gruppe weg war, stellte man dort eine nächste auf. Die Exhumation erfolgte erst im Jahre 1943.

Es zeichnete sich ein Mensch mit schlohweißem Haar aus, der sich bekreuzigte11. Am Ende waren Frauen. Die Grube wurde zugegraben. Wir hatten keine Ahnung, was für eine Exekution das sein konnte. Am nächsten Tag gab es nirgends eine Andeutung darüber. Wir waren uns dessen bewußt, daß allein dies, daß wir Zeuge dessen waren, für uns gefährlich ist. Ich weiß, daß die Exekution auch von den benachbarten Häusern aus gesehen worden war, und daß es Professoren waren, die erschossen wurden.

Einige Wochen später wagte ich mich auf den Wuleckie-Hügel zu gehen, als ginge ich dort mit meinen Kindern spazieren. Ich habe die Hinrichtungsstelle wiedergefunden, Sie unterschied sich durch nichts vom übrigen Gelände, war eher etwas flacher gelegen — Gras wie überall. Wenn nicht die Tatsache, daß ich diesen Hügel sehr gut kannte, hätte ich diese Stelle nicht aufgefunden. Später erfuhr ich, daß die Deutschen die Leichen heimlich exhumiert haben". Frau Lomnicka beschrieb die Exekution auf folgende Weise. Nach der Verhaftung ihres Mannes „[...] konnte vom Schlafen keine Rede sein. Ich stand, aus Furcht zitternd, lange Stunden am Fenster und wartete, daß es Morgen werde, um hinauszugehen und zu versuchen eine Erklärung für den Überfall zu finden. Als es zu tagen begann, erblickte ich vom Fenster meiner Wohnung im 3. Stock, wie auf den Wuleckie-Hügeln ein Treiben begann. Es ließen sich Menschengestalten sehen; dann trennte sich eine Gruppe von Personen von den Restlichen, die bei der Abrahamowicz-Burse stehenblieben, und diese ging den Abhang des Geländes hinab, sie verschwand mir aber hinter dem Haus von Dr. Nowak-Przygodzki. Ich setzte mich auf die Couch, denn ich konnte es mir nicht erklären, was dieses Treiben in so früher Stunde, es war doch um 4 Uhr morgens, bedeuten könnte. In diesem Augenblick hörte ich die erste Salve — es wurde mir klar — ich lief ins Treppenhaus, wo die Fenster etwas weiter rechts gelegen, mir eine weitere Sicht ermöglichten, und da erblickte ich, daß die Menschen, die von oben kamen, etwa in der Mitte des Hügels, in einer nicht großen Mulde stehenblieben. Ich konnte deutsche Soldaten unterscheiden, dann Männer in Zivilkleidung; es waren auch welche Frauen dabei, und eine Person schien mir ein Priester in der Soutane zu sein. Ich sah eine Person im Anzug von aschgrauer Farbe. Genau die Farbe des, meines Mannes — jedoch wollte ich diesen Gedanken in mir nicht einmal aufkommen lassen.

11Das war Prof. Roman Witkiewicz.

Mehrere Male wurden je 5 Personen herbeigeführt, und ich sah, wie nach der Salve vom Maschinengewehr diese Menschen umfielen. Ich stand, wie angewachsen, sah geistesabwesend diesem henkerischen Schauspiel zu, und neben mir zwei Frauen aus der Nachbarschaft, d.h. Janina Wieckowska — die spätere Gemahlin vom Richter Zeneka in Krakow, und Frau Solecka — die Gemahlin des Gymnasium-Professors in der Kazimierzowska-Straße in Lwów. Sollten das die in dieser Nacht verhafteten Professoren sein? Sollte unter ihnen mein Mann sein? Wegen der Entfernung konnte ich das nicht erkennen [...]".

Die Kunstplastikerin Maria Zaleska, die auch in der Nabielak-Straße wohnte, berichtete:

„[...] Die dann erschossenen Personen wurden von oben gruppenweise heruntergeführt. Die Stelle, wo die Exekution ausgeführt wurde, war nicht uns direkt gegenüber, vis ä vis uns gelegen, sondern etwas weiter rechts; das war eine kleine Vertiefung des Geländes zwischen den Bäumen. Ich sah drei auf einer Aufschüttung stehende Personen. Ich habe nur eine von oben heruntersteigende Gruppe gesehen; sie gingen hintereinander, soweit ich mich erinnere, vier Personen; eine von ihnen schwarz gekleidet schien mir eine Frau zu sein — es kann auch ein Priester gewesen sein. Andere Gruppen beobachtete mein Sohn, mit dem ich das Fernglas abwechselnd teilte. Ich sah noch eine am Ende langsam gehende, einsame Frau. In unserem Sichtkreis sah ich 3 Soldaten aus dem Exekutionskommando; das Gelände war so schmal und steil, daß ich kaum glaube, daß ihrer mehrere als 6 sein konnten. Diejenigen, die ich sah, waren, wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, ohne Hüte. Ich habe niemanden erkannt. Wir dachten, es würden da Juden erschossen. Gleich nach der Hinrichtung sprach es sich um, daß das Grab bewacht werde. Am Grab war ich Ende Winter oder Anfang des Frühjahrs 1959; ich habe damals noch nicht von der Exhumation gehört, so wunderte ich mich, daß an der Grabstelle eine Terrain-Vertiefung und daneben keine Aufschüttung war. Mit mir zusammen hat die Beobachtungen mein Sohn gemacht, der 1944 im Lager in Stutthof erschossen wurde. Außer uns, nehme ich an, könnten das meiste der Diener von Professor Witkiewicz und die Frauen aus der Dienerschaft der Doktor-Familie Ostrowski sagen — aber wo sollte man diese jetzt suchen?

Von den mir zu Ohren gekommenen Nachrichten führe ich folgende an: Die letzt erschossene soll Frau Ostrowska gewesen sein, die kranke Beine hatte.

12 Es handelt sich um Jozef Wojtyna, zusammen mit Prof. Witkiewicz verhaftet und dann entlassen. Er war Untermieter bei Prof. Witkiewicz und Pedell an der Technischen Hochschule.

Es soll eine Frau mit einem Schal in greller Farbe gesehen worden sein. Professor Witkiewicz sollen seine Nachbarn sofort an dessen grauen Haaren erkannt haben — er sei ohne Hut gegangen. Es hat sich umgesprochen, daß die Deutschen in Gesellschaft von Ukrainern verhaften gingen, daß sie eine früher hergestellte Namenliste von Verurteilten hatten, weil sie auch Professor Dr. Leszczyriski holen wollten, der schon gestorben war".

Zofia Orlinska-Skowronowa berichtet:

„[...] Die Villa, die ich damals bewohnte, stand in der Nabielak-Straße 55, in einem kleinen Garten, frontal zur Wulecka-Straße und somit zum Wuleckie-Hügel, wohin eben das Fenster meines Zimmers im II. Stock hinausging. An dem tragischen Tag wurde ich durch die Salve einer Feuerwaffe geweckt, die von Seite des Wuleckie-Hügels her kam, und das war die Ursache dessen, daß ich nach dem Aufwachen ans Fenster trat. In diesem Augenblick erblickte ich, daß von der Abrahamowicz-Burse her, wo eine kleine Gruppe Menschen stand — etwa 36 Personen — fünf oder sechs Personen in Begleitung eines Deutschen, den Wuleckie-Berg hinab, hintereinander gehend herabstieg. Diese Personen blieben dann auf einem flachen Terrain des Hügels, einer Art kleiner Lichtung stehen, in einer Reihe nebeneinander stehend, mit dem Rücken der Wulecka-Straße, und dem Gesicht zur Abrahamowicz-Burse gewandt. Meine Aufmerksamkeit lenkte das Exekutionskommando auf sich, das aus etwa 10 Soldaten in grau-grünen Uniformen bestand, die eine Maschinengewehrsalve auf die stehenden Personen abgaben. Da die Leichen nicht auf die Bodenfläche fielen, wo sie zu sehen sein müßten, stand für mich klar, daß dort eine Höhle ausgegraben sein mußte — wann und von wem, weiß ich nicht.

Ich habe auch bemerkt, daß auf der linken Seite der Höhle eine kleine Gruppe von Militär-Personen stand; meiner Meinung nach waren dort auch deutsche Offiziere. Das Geschehnis, welches ich hier angeführt habe, wiederholte sich, bis alle diese Unglücklichen, unter denen sich eine Frau befand, umgebracht wurden. Unter den Erschossenen erkannte ich Professor Wlodzimierz Stozek und seinen Sohn Emanuel. Verbunden mit Emanuel Stozek kann ich einen für mich schrecklichen Augenblick nicht vergessen. Als nach der Salve alle seine Gefährten in die Höhle fielen, blieb nur der am rechten Flügel befindliche Mulek Stozek stehen. Erst ein Einzelschuß schmetterte ihn in das gemeinsame Grab nieder. Er war in ein tabakfarbenes Jackett und aschgraue Hose gekleidet. Professor Stozek hatte einen dunklen Mantel an. Die Exekution beobachtete ich durch ein Fernglas von ungefähr 3 Uhr 30 bis 4 Uhr morgens. Nach 4 Uhr haben einige Soldaten, ich bin nur nicht sicher, ob vom Exekutionskommando oder aus der zur Seite stehenden Gruppe, die Höhle mit Erde zugeschüttet [...]".

Jedoch den genauesten Bericht über das Erschießen der Professoren erstattete der Ingenieur Karol Cieszkowski:

„[...] In der Nacht vom 3. zum 4. Juli gegen 22 Uhr hörte ich ein heftiges Schlagen an die Tür des Nachbar-Gebäudes, d.h. in der Nabielak-Straße 53c, wo Professor Witkiewicz wohnte. Als niemand den Draufschlagenden öffnete, schössen diese, wie ich später erfuhr, aufs Türschloß. Nach gewisser Zeit, um 0 Uhr 30 kamen in unser Haus Deutsche und nahmen den im Parterre wohnenden Professor Stozek mit zwei Söhnen fest. Ob sie diese mit einem Auto oder zu Fuß beförderten, das weiß ich nicht. Den Rest der Nacht schlief ich nicht, weil ich sehr aufgeregt war. Um vier Uhr morgens, und an diese Zeit erinnere ich mich genau, weil ich eben meinen Pulsschlag mittels meiner phosphoreszierenden Uhr maß, hörte ich Schüsse von dem Wuleckie-Hügel her. Es dämmerte damals und begann Tag zu werden. Am Rand des Wuleckie-Hügels, das vom Fenster in meinem, meist nördlich gelegenen Eckzimmer zu sehen war, erblickte ich einige zehn zivile Personen, die in einer Reihe standen, und ein wenig entfernt von ihnen, rechts und links, standen sehr schick, man kannte sagen, elegant gekleidet, deutsche Offiziere mit Revolvern in der Hand. Ich habe die zivilen.Personen nicht gezählt, aber ich schätze sie auf etwa 40-50 Personen.

Ungefähr in der Mitte des Abhangs erblickte ich an einer ausgehobenen Höhle vier zivile Personen, mit dem Gesicht zum Abhang und dem Rücken mir zugewandt. Hinter dem Rücken dieser Personen standen vier deutsche Soldaten mit Gewehren in der Hand, und neben ihnen ein Offizier. Wahrscheinlich auf dessen ausgerufenen Befehl schössen die Soldaten gleichzeitig los, und alle vier Personen fielen in die Höhle.

Da führte man von oben, den Fußsteg hinab, neue vier Personen herbei, und das ganze Geschehen wiederholte sich genau. So ging es fort, bis zum Schluß, bis alle zivile Personen zur Höhle herangeführt und erschossen wurden. Die letzte erschossene Person war eine Frau in einem langen, schwarzen Kleid. Sie ging allein den Weg hinunter, indem sie stark schwankte. Als man sie zu der Höhle voller Leichen heranführte, wankte sie, aber der Offizier hielt sie fest, der Soldat schoß auf, und sie fiel in die Höhle.

Was die Einzelheiten dieser Exekution betrifft, so habe ich manche Personen genau erkannt. Ich habe sie nicht nur erkannt, denn ich schaute durch ein Fernglas, sondern manche Personen kannte ich sehr gut, und ich erkannte sie sogar mit bloßem Auge, nach ihrer Kleidung, charakteristischen Gesten und dergleichen. Ganz bestimmt habe ich Professor Stozek erkannt. Er stand an der Höhle in seiner charakteristischen Haltung, mit nach hinten verschränkten Händen. Ich habe beide Söhne von Professor Stozek erkannt, mit denen ich befreundet war; die Professoren: Lomnicki, Pilat und Witkiewicz. Nicht gesehen, oder nicht erkannt habe ich die Professoren Weigel und Krukowski. Ich muß jedoch bemerken, daß ich die Exekution der ersten Personen nicht gesehen habe, denn erst nach den ersten Schüssen trat ich ans Fenster. Ich sah auch keine weiteren Frauen, außer der einen, die am Ende erschossen wurde.

Ich erinnere mich sehr genau daran, daß eine von den Vierer-Gruppen der Verurteilten, in Richtung der Höhle hinabsteigend, einen Ohnmächtigen trug13. Eine andere Vierer-Gruppe stieg sehr langsam hinunter, denn einer von den Verurteilten hinkte stark. Ich nehme an, daß es Professor Bartel sein konnte, ich habe ihn aber nicht erkannt14. Ich erinnere mich, daß als eine von den Vierer-Gruppen an der Höhle mit dem Rücken den Soldaten zugewandt stand, einer von den Verurteilten sich zu den Soldaten umdrehte, und mit dem Hut in der Hand (alle Verurteilten zogen den Hut, sicher auf Befehl) etwas zu sprechen begann, lebhaft dabei gestikulierend. Da zeigte ihm ein Offizier, der zur Seite stand, mit einer Handbewegung, er solle sich wieder umdrehen, was dieser auch tat, und in diesem Moment schössen die Soldaten los.

Was andere Einzelheiten betrifft, habe ich noch im Gedächtnis, daß einer von den Verurteilten, einen Augenblick vor dem Schuß, in die Höhle fiel (ich nehme an, er hat es absichtlich getan, um sich zu retten), und gleich nach dem Schuß sprang er aus der Hohle, aber ein Soldat gab einen Schuß ab, dieser wankte und fiel in die Höhle. Die Höhle war in der Form eines Rechtecks, das durch einen nicht ausgegrabenen, quer laufenden Steg geteilt war, sodann fiel der daran stehende Verurteilte, nachdem der Schuß fiel, nach vorn oder nach hinten, aber immer in die Höhle hinein.

13 Getragen wurde Ing. Adam Ruff, der während der Identifikation in der Abrahamowiczöw-Anstalt einen epileptischen Anfall bekam. Ein Offizier der Gestapo holte die Pistole hervor und, ohne zu zögern, erschoß er ihn.
14 Das war nicht Prof. Bartel, sondern der Augenarzt Doz. Jerzy Grzedzielski, der auch stark hinkte.

Einmal nur geschah es, daß einer von den Söhnen von Professor Stozek, auf dem Steg an der Höhle, am Rand der Vierer-Gruppe stehend, nach dem Schuß nicht in die Höhle, sondern außerhalb dieser fiel, da warfen ihn die Soldaten in die Höhle hinein.

Nachdem die Exekution zu Ende war, blieb an der Höhle das Exekutionskommando mit dem Offizier zurück. Die Soldaten nahmen die Mäntel ab, stülpten die Ärmel auf, nahmen Schaufeln in die Hand und begannen die Höhle zuzuschütten. Anfangs machten sie es sehr vorsichtig, weil die Erde ringsumher weit mit Blut bedeckt war, was ich als große rote Flecke sah. Die Soldaten unterbrachen von Zeit zu Zeit ihre Arbeit und hörten dem Offizier zu, der ihnen etwas erzählte, als wenn er etwas erklärte.

Die ganze Exekution beobachteten von meinem Zimmer aus mein Vater, meine Schwester und unsere Untermieterin. Alle diese Personen versammelten sich in meinem Zimmer, weil es meist nördlich, also meist dem Wuleckie-Hügel gegenüber, gelegen war. Mein Vater sagte, während er die Exekution beobachtete, kein Wort, und auch später sprach er nie mit mir darüber. Die Untermieterin und meine Schwester dagegen erkannten einzelne Personen, und als z.B. die Söhne von Stozek an die Höhle herangeführt wurden, riefen sie aus: »Da! Sie führen den Mulek!« Ein Jahr später wurde verhältnismäßig viel gesprochen darüber, daß die Professoren auf dem Wuleckie-Hügel getötet und beigesetzt worden sind. Nach langandauernder Beobachtung von meinem Fenster aus, daß das Grab nicht bewacht wird, begab ich mich am nächsten Abend nach der Exekution dorthin, wo die Erschießungen stattgefunden hatten, und sah ein frisches Grab. Es fiel mir auf, daß das hier weidende Vieh am Grab stehen blieb und lange schnüffelte. Das Grab war flach, und als ich nach einigen Wochen mich nochmals dorthin begab, war es vom üppigen Distel verwachsen, sicher von den Soldaten gesät. Was die Angelegenheit der Ausgrabung von Leichen der Professoren im Jahre 1943 betrifft, kann ich nichts näheres dazu sagen, weil ich kurz vorher mit der ganzen Familie, aus dem Haus in der Nabielak-Straße von den Deutschen ausgesiedelt wurde, obwohl die Wohnung nachher niemand mehr bewohnte, und sie leer stand".

Soweit Ingenieur Cieszkowski.

Am 16. Mai 1945 ging ich zusammen mit dem Professor der Technischen Hochschule Stanislaw Ocheduszko und dem Ingenieur Cieszkowski zur Hinrichtungsstelle der Professoren. Aufgrund der Hinweise von Ingenieur Cieszkowski rechneten wir, mit der Uhr in der Hand, genau aus, wie lange es dauerte, bis die Vierer-Gruppen von Verurteilten den ziemlich steilen Abhang hinunterstiegen, sich an die ausgehobene Höhle anstellten, und das Erschießen erfolgte. All das dauerte 2 Minuten. Sodann dauerte das Erschießen von zehn Vierer-Gruppen 20 Minuten, also samt dem Zuschütten des Grabes etwa 30-40 Minuten. Wie schnell kann man fast 40 Menschen das Leben nehmen, wie leicht das Recht auf Entscheiden über Leben und Tod anderen gegenüber an sich reißen!

Es soll betont werden, daß die Menschen, die zum Erschießen bestimmt waren, sich dessen bewußt waren, was ihnen bevorsteht, sofern alle paar Minuten aus ihrer Reihe vier Personen getrennt wurden, und sie nach einer Weile Maschinengewehrsalven zu hören bekamen. Die letzte von den Erschossenen war die Gemahlin von Professor Ostrowski. Sollten sich die Gestapo-Leute auf diese Weise an ihr rächen wollen dafür, daß sie während der Verhaftung, als man so manches plünderte, laut »Banditen« sagte, worauf sie: »Halt das Maul!« zu hören bekam? Es ist selbstverständlich, daß die Aussagen der einzelnen Personen voneinander, in Einzelheiten unterschiedlich sind; es ist aber auch jedem Arzt und Psychologen bekannt, daß je stärker und schrecklicher der Eindruck ist, desto fester prägen sich gewisse Einzelheiten ins Gedächtnis, wobei andere, gleich starke, sogar gänzlich schwinden können. Das Fortdauern der Registrierung von unseren Eindrücken ist begrenzt, und wenn ich jetzt so viele Einzelheiten aus der Tragödie der Professoren anführen kann, dann geschieht das nur, weil ich alle gesehenen und gehörten Einzelheiten sofort und emsig notiert hatte. Als Ingenieur Cieszkowski erzählte, daß einer von den zum Erschießen bereitstehenden Professoren kurz vor der Salve sich zu dem Offizier umwandte, und ihm schnell etwas zu sagen begann, wobei er lebhaft mit den Händen gestikulierte, erriet ich, daß es Professor Cieszynski sein konnte, der die deutsche Sprache gut beherrschte, und immer lebhaft reagierte. Nach vielen Jahren fragte ich dessen Sohn, Tomasz Cieszynski, wen er in dieser Gestalt vermuten könnte; ohne zu zögern, nannte er seinen Vater.

Aleksander Drozdzynski und Jan Zaborowski schreiben in ihrem Buch Oberländer15, daß die Professoren an 2 Stellen erschossen wurden, was jedoch nur eine Ausgeburt ihrer Phantasie ist.

15 A. Drozdzyhski i J. Zaborowski, Oberländer - Przez „Ostforschung", wywiad i NSDAP da rzqdu NRF (Oberländer — aber „Ostforschung", Geheimdienst und die NSDAP zur Regierung der BRD), Warszawa 1960, S. 77-85.

Auf meine Bitte hat der Redakteur Andrzej Ziemilski, nach meinen genauen Anweisungen, Aufnahmen der auf dem Abhang der Wuleckie-Hügel gelegenen Hinrichtungsstelle gemacht, die vom Fenster des Hauses in der Nabielak-Straße zu sehen war. Die zuvor genannten Autoren bekamen von mir eine solche Aufnahme, und zeigten sie dem Zeugen der Erschießung der Professoren, Frau Helena Kucharowa, wohnhaft in der Malachowski-Straße 2, die zusammen mit ihrem Mann die Exekution beobachtete. Diese bestätigte, daß diese Aufnahme tatsächlich die Stelle zeigt, wo die Professoren erschossen wurden; also haben sowohl die Einwohner der Nabielak-Straße, als auch die der Malachowski-Straße dieselbe Exekutionsstelle gesehen. Dennoch haben Drozdzynski und Zaborowski, niemand weiß, worauf diese Begründung fußte, die Äußerung aufgestellt, daß Frau Kucharow und die Einwohner der Nabielak-Straße zwei verschiedene Hinrichtungsstellen der Professoren gesehen hatten. Diese ungerechtfertigte Erfindung wird leider von anderen Autoren wiederholt16. Auch die Angelegenheit, wie die Verurteilten aus dem Gebäude der Abrahamowicz-Anstalt zur Hinrichtungsstelle hinausgeführt worden sind, bedarf einer Erklärung. Der von der Gestapo entlassene Professor Groër weilte in dem Hof, der sich von der Hintenseite der Anstalt befand, weil er erst nach Erlöschen der Polizeistunde, d.h. nach 6 Uhr morgens, nach Hause gehen durfte. Er beobachtete sodann alles, was im Hinterland des Gebäudes vor sich ging. Wie schon vorhin beschrieben, sagte er aus, daß um 4 Uhr morgens durch die Hintertür des Gebäudes eine Professoren-Gruppe von etwa 15-20 Personen in den Hof trat, sich dann durch das Hoftor (Abb.) auf die Abrahamowicz-Straße begab, und diese Straße entlang in Richtung der Wuleckie-Hügel abging. Groër erklärte mir voller Entschlossenheit einigemal, daß in der genannten Gruppe die Professoren Rencki und Sotowij nicht mitgewesen waren. Nachdem die obige Gruppe von Professoren abmarschiert war, sah Groër, wie die Frauen Ostrowska (vielleicht Grek) und Ruff von der Treppe, die von hinten des Gebäudes zum Hof führte, das Blut wuschen und nachher wieder ins Gebäude eintraten. Frauen, die mit den Professoren zusammen abmarschierten, hat Groër aber nicht gesehen, und die Zeugen der Erschießung haben diese doch unter den Verurteilten gesehen. Groër hat gesehen, daß 15-20 Personen abgeführt wurden, die Zeugen der Hinrichtung behaupten, daß dort etwa 40 Opfer waren, und die Juden, welche die Exhumation der Leichen der Professoren durchgeführt hatten, haben derer im Grab 38 errechnet.

16 S. Sterkowicz, Tadeusz Boy-Zelenski, Arzt- Schriftsteller - Aktivist, Warsza-wa 1974, S. 288 u.a.

Meinen genauen Angaben nach wurden vom 3. zum 4. Juli 49 Personen verhaftet. Professor Groër, 4 Personen vom Dienstpersonal der Familien Grek, Ostrowski und Ruff. der Hauswirt Wojtyna und Chauffeur von Professor Ostrowski — Kostyszyn wurden entlassen: Dozent Maczewski und Katarzyna Demko waren bis zum Augenblick, als Groër nach Hause ging, im Hof der Abrahamowicz-Anstalt; sodann hätten am 4. Juli 40 Personen erschossen werden müssen. Wenn die Gestapo je vier Personen zum Erschießen herbeiführte, hätten es 9 solcher Vierer-Gruppen sein sollen; am Ende ging allein eine Frau, so waren es also 37 Personen. Wenn wir den zuvor erschossenen, jetzt mitgetragenen Ingenieur Ruff hinzuzählen, dann wäre die Summe 38 gleich der, die von den Juden angegeben wurde. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, daß ähnlich, wie das mit dem Dozenten Maczewski war, die Gestapo noch andere 2-3 Personen aus der Gruppe von Verurteilten hat aussondern, und diese an einem anderen Tag töten können; daher der Unterschied von zwei Personen zwischen meiner Ausrechnung und den Angaben der Juden. Darüber hinaus behauptet Weliczker, daß aus dem Grab der Professoren drei Frauen exhumiert worden sind. Es kann auch sein, daß die Juden sich die richtige Zahl der Leichen nicht gemerkt haben. Zwei Zeugen der Erschießung haben übrigens auch drei Frauen gesehen. So würde noch eine Frau fehlen, die vielleicht von den Verurteilten abgesondert worden ist.

Es kommt noch eine wichtige Frage auf, auf welchem Weg die restlichen Verurteilten aus dem Gebäude herausgeführt, und wie sie zur Hinrichtungsstelle befördert wurden. Hierbei erwies sich Dr. Ing. Zbigniew Schneigert17 behilflich, dessen Aussage aus dem Jahre 1971 im Ganzen in der Dokumentation angeführt werden kann, und hier bringe ich die, für dieses Problem, wesentlichsten Angaben: „Am Tag der Exekution kam zu mir gegen 7 Uhr morgens mein Freund von der Technischen Hochschule (den Namen habe ich vergessen18; er hat damals eine Imbißstube in der Technischen Hochschule geführt; er wohnt irgendwo in Schlesien) und sagte, daß er bei Tagesanbruch vor seinem Fenster einen Trubel hörte, und durch das Fenster auf die Straße hinaussah. Er hat gesehen, daß vor seinem Fenster irgendwelche Menschen von einem Lastwagen abgeladen werden (Abb.). Unter diesen bemerkte er die Professoren Lomnicki und Stozek.

17 Dr. Ing. Zbigniew Schneigert, Zögling der Technischen Hochschule in Lwów, jetzt wohnhaft in Zakopane.
18 Es handelt sich um Kazimierz Wojtas, geboren 1906 und gestorben 1975 in Opole.

Der Freund wohnte in der Kosynierska-Straße. Die Festgehaltenen wurden irgendwohin hinter das Studentenheim „Haus des Technikers"19 abgeführt. Er sagte auch, daß er einige Zeit später Schüsse gehört habe. Ich verließ sofort mein Haus zusammen mit meinem Hund (ich wohnte in der Pochyla-Straße) und ging den Weg, den wahrscheinlich die Verurteilten gingen. An einer Stelle (sieh Abb.) 20 bemerkte ich Spuren von Ausgrabungen und ausgehobene Erde. An einer Stelle, die eine Art Vertiefung in der Böschung war, war auf mehr als zehn Quadratmetern der Rasen ausgeglichen, mit Lehm verschmutzt und hatte zahlreiche Blutspuren, die mein Hund zu lecken begann. Als ich den Rasen betrat, beugte sich die Erde deutlich unter mir, was darauf hinwies, daß sich darunter etwas biegsames, also Leichen, befinden.

Die Stelle, wo die Hinrichtung ausgeführt wurde, war so ausgewählt, daß sie ganz bestimmt von nirgendswoher zu sehen war (siehe Abb.). Es ist auch Unwahrheit, was seiner Zeit in der Zeitschrift „Przekroj" ein mit dem Leben davongekommener Jude schrieb, daß die Exekution von Fenstern aus gesehen worden sei. Die am nächsten gelegenen Fenster, aus denen die Sicht übrigens durch eine Böschung erschwert ist, liegen in einer Entfernung von nicht weniger als 500 Metern". Die Aussage von Dr. Schneigert beweist, daß etwa die Hälfte der Professoren-Gruppe und deren Nächsten in ein Lastauto geladen, auf einem etwas weiteren Umweg in die Nähe der Hinrichtungsstelle21 gebracht, hier abgeladen, und nach einem kurzen Marsch zu Fuß der ersten Gruppe angereiht wurde. Angesichts dessen, daß Professor Groër nur 15-20 abgeführte Personen gesehen hat, also etwa die Hälfte der Erschossenen, ist anzunehmen, daß die in der Aussage von Dr. Schneigert beschriebene Gruppe aus der Abrahamowicz-Anstalt auf die mit demselben Namen benannte Straße, durch das Frontaltor, und nicht den Hof, herausgeführt wurde. Jedoch in beiden genannten Gruppen sind keine Frauen gesehen worden, und es waren ihrer doch etwa vier, denn die fünfte, Katarzyna Demko, blieb im Hof der Anstalt weiterhin.

19 II Dom Technikow (2. Haus der Techniker) in der Abrahamowicz-Straße war ein Studentenheim für Studenten der Technischen Hochschule.
20 Die Zeichnung von Dr. Schneigert befindet sich in der Dokumentation.
21 Dr. Schneigert erklärte mir darüberhinaus, daß bis zur Stelle, wo die Opfer abgeladen wurden, eine gepflasterte Straße führte, auf dem weiteren Weg dagegen gab es nur einen Einschnittsgraben für eine künftige Straße. Dies ist eine Erklärung dafür, warum das Auto hier hielt und nicht weiter fuhr.

Es muß abermals angenommen werden, daß die Gruppe der Frauen abgesondert abgeführt worden ist, und da sie Professor Groër nicht gesehen hatte, müssen sie auch durch das Haupttor, direkt auf die Straße gegangen sein. Ob man sie zu Fuß gehen ließ, wie die erste Gruppe, oder auch sie mit dem Auto beförderte, wie die zweite — weiß man nicht. Womit ist es zu erklären, daß die Verurteilten in drei Gruppen geteilt worden sind? Wahrscheinlich ging es darum, die Wachsamkeit der Häftlinge zu täuschen, damit die Gestapo-Leute diese allen ruhig an die Hinrichtungsstelle befördern könnten. Dr. Schneigert gelangte, auf dem ihm von seinem Freund vorgezeichneten Weg, zum Grab der Professoren — die Anweisung dessen war also richtig und wahr. Mit Unrecht aber verneinte es Dr. Schneigert, daß irgendwer die Szene der Erschießung der Professoren hat sehen können. Wie ich auf dem Plan von Lwów feststellen konnte, beträgt die Entfernung von der Hinrichtungsstelle zu den Gebäuden in der Nabielak-Straße in Luftlinie 400 Meter, und von dieser Entfernung hat man, sogar mit bloßem Auge, und was erst durch ein Fernglas, die Exekution sehen können. Übrigens beweisen die Aufnahmen der Nabielak-Straße, die von der Hinrichtungsstelle aus. und umgekehrt, der Hinrichtungsstelle — von der Nabielaka-Straße aus, ausgeführt worden sind, ganz offensichtlich, daß eine Sichtbarkeit von hier her völlig möglich war.

Doktor Schneigert war zweifellos der erste Mensch, der am Grabe der Professoren erschien, denn seit deren Tode verliefen einzig 3 Stunden. Man kann sich leicht seine Erschütterung vorstellen, als er die mit Blut bespritzte Erde sah, und unter seinen Füßen das sich Bewegen der sich unter der Erde befindlichen Leichen seiner Lehrer fühlte.

Es soll noch auf die Angelegenheit des Todes von dem Dozenten Stanislaw Maczewski und der Englisch-Lehrerin Katarzyna Demko zurückgegangen werden. Als Professor Groër um 6 Uhr früh nach Hause ging, sah er noch eine beträchtliche Gruppe von Personen — unter ihnen auch Maczewski und Demko. Die Demko wäre entlassen worden, weil sie in die Gruppe geriet, die die Dienerschaft und Wojtyna bildeten, und diese haben nach 6 Uhr früh nach Hause gehen sollen. Auf die Frage des Gestapo-Mannes, ob alle in dieser Gruppe zur Dienerschaft gehören, verneinte sie es aber, und daraufhin wurde sie sofort in die Gruppe versetzt, die ins Gefängnis gehen sollte. Da aber die restlichen Frauen aus der Professoren-Gruppe schon zur Hinrichtungsstelle abgeführt worden sind, konnte man sie (Demko) an diesem Tag nicht ermorden. Sie wurde, so wie auch Dozent Maczewski, später, sicher am nächsten Tag, ums Leben gebracht. Es bleibt jedoch ein Geheimnis, warum man den Dozenten Ma^czewski aus der Professoren-Gruppe ausgesondert hatte.

11 Kazn... 12

Wer weiß, ob es irgendwann gelingt, dieses Geheimnis zu lüften? Jedenfalls sind sowohl der Dozent Stanislaw Maczewski als auch Katarzyna Demko getötet worden, weil sie seit dieser Zeit nie mehr unter den Lebenden erschienen. Am nächsten Tag nach der Verhaftung, d.h. am 4. Juli nach Auslöschen der Polizeistunde um 6 Uhr, liefen die höchst bestürzten Ehefrauen und Mütter zu ihren Familien und Freunden. Frau Witkiewicz erfuhr, daß sie, außer ihrem Gatten, in dieser Nacht, auch ihren Bruder, den Professor Edward Hamerski verloren hat. Frau Miesowicz verlor nicht nur ihren Vater und Sohn, aber auch ihren Schwager, den Professor Wlodzimierz Sieradzki, und ihren Kousin Professor Longchamps de Berier mit drei Söhnen. Frau Progulska begab sich zu ihrer Freundin Nowicka, und dort erfuhr sie, daß diese auch Gatten und Sohn verloren hat.

Einzeln oder gruppenweise begannen die Professoren-Frauen die Suche nach ihren Gatten und Söhnen. Niemand wollte, manchmal auch konnte, ihnen eine Erklärung darüber geben, was mit den Verhafteten geschehen ist, und wo sie in Haft stehen. Weder in der Kommandantur der Gestapo in der Pelczynska-Straße noch in der Städtischen Militär-Kommandantur im Rathaus, noch in der Abra-hamowiczöw-Anstalt hat jemand etwas gesehen, jemand von etwas gehört. Im besten Fall bekamen die Frauen zu hören, „Die Verhaftungen hat die Feld-Gestapo durchgeführt, leider ist sie aber weiter nach dem Osten abmarschiert, und wir wissen hier nichts". Das war nur die halbe Wahrheit, denn ein Teil der Schöngarthner Gruppe blieb in Lwow, bildete die Kommandantur für Lwów und den Distrikt Galizien, und hatte ein genaues Verzeichnis aller Ermordeten.

Die Frauen Cieszynska und Nowicka bagaben sich, jede einzeln, ins Rathaus und sprachen dort mit 2 verschiedenen höheren Offizieren. Die erste sprach mit einem Zahnarzt, der wie es sich herausstellte, ihren Gatten kannte. Beide diese Offiziere waren sehr erschrocken, als sie erfuhren, was sich in der Nacht ereignet hatte, und drängten auf diese, sich sofort zur Gestapo zu begeben, denn „vielleicht ist es noch nicht zu spät". Es war aber zu spät. Beide Offiziere kannten die Methoden der Gestapo. Frau Cieszynska legte bei der Gestapo einen Antrag ein, mit der Bitte um eine Nachricht über ihren Gatten. Nach einigen Wochen wurde sie in das Gebäude in der Pelczynska-Straße vorgeladen, wo man ihr erklärte, ihr Mann sei an einem Herzleiden gestorben, womöglich wegen zu schwerer Arbeit.

Frau Dozent Krukowska konnte auch, in den ersten Tagen, nichts über das Schicksal ihres Gatten erfahren. Erst einige Tage später hat man ihr bei der Gestapo gesagt, daß die Verhafteten aus Lwów weiterbefördert worden seien. Am 4. August wurde ihr jedoch gesagt, ihr Mann sei am 7. Juli an einem Herzleiden gestorben. Ein anderer Gestapo-Mann dementierte dies und behauptete, alle Verhafteten seien früher weit erbefördert worden.

Der Dozent Witold Grabowski nützte die Gelegenheit, daß er einen deutschen Offizier, der Arzt war, kannte und bat diesen in den ersten Julitagen, er möge sich erkundigen, wo sich die verhafteten Professoren befinden. Jener Arzt begab sich zur Gestapo, und nach seiner Rückkehr erklärte er, daß er „bis an die Zehenspitzen schamrot werden muß, denn sie alle sind ums Leben gekommen". Auch mir erklärte der Ukraine, Professor für Innere Krankheiten, Marian Panczyszyn im April 1942, daß mein Chef, Professor Witold Nowicki, in jener Juli-Nacht ums Leben gekommen ist22.

Im Institut der Patho-Anatomie hatte ihren Sitz der Anatomopatologische Militär-Posten, dessen Chef, der Oberfeldarzt, Dr. Gerhard Sponholz war. Eines Tages erzählte er mir, daß der mit ihm befreundete Dozent Dr. Karl Schulze in der Funktion des Direktors, anläßlich der Eröffnung der Medizinischen Fakultät, sich im Oktober 1941 zur Gestapo begab, um sich Antwort auf seine Frage einzuholen, ob er auf die Mitarbeit der verhafteten Professoren rechnen kann. Hier bekam er zur Antwort, daß keiner von ihnen am Leben ist 23.

Wie schon erwähnt wurde, hat einer der Unteroffiziere der SS, der in der Gruppe war, die Groër verhaftet hatte, nachher die Familie des Professors immer wieder belästigt. Als ihm Professor Groër die Frage stellte, was mit den anderen Professoren geschehen ist, sagte dieser ganz offen, daß alle in jener Nacht erschossen wurden.

Dr. Eier, ein Arzt, Offizier, der Leiter des Tyfus-Instituts in Lwów erklärte Fräulein Doz. Schuster, sie solle ihre Schwester, Frau Nowicka, darauf vorbereiten, daß ihr Gatte und Sohn nicht mehr leben.

Alle diese Tatsachen zeugen davon, daß die Gestapo, im allgemeinen, vor den Deutschen kein Geheimnis davon machte, die Professoren eigens ermordet zu haben. Die Mörder waren ganz sicher dessen, daß sie den Krieg gewinnen werden, und ihr Führer, Hitler, hat gesagt, daß über Sieger niemand Gericht hält.

22 Z. Albert, Lwowski Wydzial Lekarski w czasie okupacji hitlerowskiej (Medizinische Fakultät in Lwów während der Hitler-Okkupation), 1941-1944, Prace Wroclawskiego Towarzystwa Naukowego, Wroclaw 1975, S. 31.
23 Ibidem, S. 25.

Es hat sich nach dem Krieg übrigens herausgewiesen, daß meistens auch über diejenigen, die den Krieg verloren haben, für ihre Verbrechen gegen die Menschheit kein Gericht gehalten wurde und wird.

Kurz nach der Ermordung machte die Gestapo, auch vor den Polen, kein Geheimnis mehr daraus, daß sie selbst der Übeltäter ist. Die Witwe nach Professor Pilat bekam, auf eigene Forderung, aus der Gestapo-Kommandantur in der Pelczynska-Straße, die Sterbeurkunde ihres Mannes. Das war eine deutliche Feststellung dessen, wer der Täter dieses schrecklichen und völlig unbegründeten Verbrechens war. Auch Menten erhielt von der Gestapo in der Pelczynska-Straße die Sterbeurkunde der Gatten Ostrowski, die Professor Groër bei ihm gesehen hat. Am 11. Juli, als eine Woche nach der blutigen Nacht vom 3. zum 4. verstrichen war, wurden zwei weitere Professoren verhaftet; diesmal beide von der Akademie für Außenhandel: der 51jährige Mathematiker Stanislaw Ruziewicz und der 53jährige Ökonomist Henryk Korowicz. Sie wurden am Nachmittag von zu Hause abgeführt, und alle Suchversuche in der Gestapo und den Kommandanturen der ukrainischen Polizei blieben erfolglos. Niemand soll etwas über diese Verhaftungen gewußt noch gehört haben.

Im Gebäude der Gestapo in der Pelczynska-Straße wurde weiterhin Professor Kazimierz Bartel in Haft gehalten. Wahrscheinlich wartete die Gestapo in Lwów auf Instruktionen aus ihrer Zentrale in Berlin. Demgemäß was dieser im Brief vom 16. Juli 1941 an seine Gattin schrieb, wurde er überhaupt nicht verhört: „Aus Privatgesprächen mit Offizieren nehme ich an, daß mir eine Gefahr wegen meiner Amtsstellung als Prämier-Minister drohen kann. In Moskau soll ich Unterredungen mit Stalin (II) geführt haben, hier irgendwelche hohe Posten (I) bekleidet haben — Nachrichten darüber drangen doch auch zu uns hierher — die Reden von Churchill und Sikorski — so sagten sie mir direkt, bringen die Anordnung eine Zusammenarbeit mit den Bolschewiken zu organisieren, und wer sollte schon bessere Vorbereitung dafür haben".

Sein Mitgefangener — Antoni Stefanowicz — bestätigte mir, daß Bartel nicht verhört wurde, und daß keine Gerichtsverhandlung stattgefunden hatte. Während das Verhalten der Gestapo-Leute im Gefängnis in der Pelczynska-Straße Bartel gegenüber relativ korrekt war, es wurde ihm erlaubt, Mittagessen von Hause zu erhalten, er durfte an seine Gattin schreiben und von ihr Briefe bekommen, so änderte sich dieses und wurde brutal, als beide Häftlinge ins Gefängnis in der La_ckiego-Straße versetzt wurden, was nach Frau Bartel um den 21. Juli erfolgte, die Mittagessen bekam er nämlich jedoch weiterhin von zu Hause. Man beschimpfte ihn hier als Knecht der Juden-Kommune, und einmal, wie Stefanowicz berichtete, befahl ein Gestapo-Mann Bartel, einem Ukrainer aus der Hilfsgestapo dessen Stiefel zu putzen, damit ein polnischer Professor und Minister einem ukrainischen Pferdeknecht dessen Stiefel putze". Bartel war nahe am psychischen Zusammenbruch und, wie mir Stefanowicz schrieb, er konnte das Wesen der ganzen Tragödie nicht begreifen.

Es ist zu bezweifeln, daß es zu einem Treffen zwischen ihm und Stalin gekommen ist, er fuhr aber tatsächlich nach Moskau, wie mir Frau Bartel erklärte, in Angelegenheit der Übersetzung ins Russische seines schriftstellerischen Werkes Perspektywa malarska. Es ist klar, daß eine Reise, in einer solchen Angelegenheit, bis nach Moskau, Verwunderung erregen konnte, sobald dies an Ort und Stelle in Lwów erledigt werden konnte. Viele wunderte es auch, daß Bartel im Jahre, 1941, nicht mit einem für Professoren der Hochschulen dieser Stadt organisierten Ausflug nach Moskau mitfuhr, sondern einsam zu einer anderen Zeit24. Die Russen, für die eine weitsichtige Politik charakteristisch ist, konnten in ihren Plänen in Bartel einen zukünftigen Führer des polnischen Volkes sehen wollen. Es mag hier natürlich unerörtert bleiben, ob dieser in diese Rolle eingewilligt hätte. Das von den Deutschen realisierte, sich in die Länge ziehende Zurückhalten dieses Mannes im Gefängnis, dazu anfangs in guten Verhältnissen, läßt vermuten, daß auch diese ihre Pläne haben konnten, verbunden mit Bartel als eventuellen Volksanführer. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß als sie 1941 von Sieg zu Sieg vorwärts marschierten, sie auf Bartel verzichtet haben und ihn darum am 26. Juli, am Tagesanbruch, auf Himmlers Befehl ermordeten.

Die Hamburger Zeitung „Die Welt" brachte am 2. August 1968 die Nachricht, daß in Nürnberg ein geheimes Dokumentstück des nazistischen Ministeriums des Äußeren, sygniert als NG4567 aufgefunden wurde, das davon zeugt, daß der päpstliche Nuntius Cesare Orsenigo am 26. Mai 1942 in diesem Ministerium beim Unterstaatssekretär Ernst von Weizsäcker, in der Angelegenheit der verhafteten Professoren, deren Namen von ihm genannt wurden, interveniert hatte.

4 M. Kamienski, W sprawie wyjazdu profesorow lwowskich w r. 1940 do Moskwy (Zur Angelegenheit der Reise von Lwów Professoren im Jahre 1940 nach Moskau), Zycie Literackie, 1972, XXIT, Nr. 17 (1056), S. 7; W. Zelenski, Podroze profesorow lwowskich w r. 1940 do Moskwy (Reisen der Lwów Professoren im Jahre 1940 nach Moskau). Wiadomosci (London), Nr. 1523 vom 8. Juni 1975.

Weizsäcker habe darauf aufmerksam gemacht, daß diese Intervention jeglicher formalen Grundlagen entledigt sei, weil es unter den Verhafteten keine geistliche Person gegeben habe. Dies war offenbar Unwahrheit, denn wie bekannt, befand sich unter den ermordeten Professoren auch ein Priester — Doktor der Theologie Wladyslaw Komornicki. Weizsäcker, wie aus diesem Dokument ersichtlich, hat jedoch von der Gestapo erfahren, welches Schicksal den Professoren zuteil geworden ist, da er darauf eigenhändig „liquidiert" aufgeschrieben hatte. Bis an diese Stelle fußen die Information in „Die Welt" auf einer originellen Dokumentschrift. Die nächste Information dagegen ist vielmehr eine Vermutung. Wir lesen darin, daß die Zentrale der Gestapo in Berlin ihre Filial-Stelle in Lwów beauftragt habe zu untersuchen, ob der verhaftete ehemalige Premierminister Kazimierz Bartel darauf eingehen würde, um den Preis sein Leben zu retten, mit den Deutschen zu kollaborieren. Bartel habe, ohne zu zögern, diesen Vorschlag abgewiesen, und da wurde er, auf Hitlers persönlichen Befehl hingerichtet. Jan Weinstein25 führt in den Pariser „Zeszyty Historyczne" den Inhalt eines Schnellbriefs an, der von Müller, dem Stellvertretenden Chef der Sicherheits-Polizei und des Reichssicherheits-Dienstes (Heidrich) unterzeichnet, und an das Ministerium des Äußeren gesandt wurde. In diesem Schreiben lesen wir nun, daß der polnische Professor Kazimierz Bartel „schon Anfang 1941 mit den russischen Behörden Pertraktationen geführt hat, die zum Ziel hatten, unter seiner Führung eine polnische Landesregierung zu gründen, die später zusammen mit der Sowjetunion Deutschland Krieg erklären sollte. In Angelegenheit dessen hat er mehrmals in Moskau geweilt. Die deutsche Gegenoffensive setzte diesen Machinationen ein Ende. Bartel wurde am 26. Juli 1941 rechtsmäßig verurteilt". Wir besitzen keine Bestätigung für Bartels „Schuld", jedoch wurde er ganz sicher ohne Gerichtsurteil hingerichtet, sonst würde der mit dem Professor im Gefängnis weilende Antoni Stefanowicz etwas darüber gewußt haben.

An die Möglichkeit, einen geeigneten politischen Posten Professor Bartel anzuvertrauen, dachten nicht nur die sowjetischen und deutschen Behörden. Nachdem der General Sikorski mit Stalin das Abkommen geschlossen hatte, hegte er den Wunsch, Bartel zum polnischen Botschafter in der UdSSR zu ernennen.

25 J. Weinstein, Dokument w sprawie zamordowania przez gestapo b. premiera prof. Kazimierza Bartla (Dokumentschriften zur Angelegenheit der Ermordung durch die Gestapo des ehem. Premierministers, Prof. Kazimierz Bartel), Zeszyty Historyczne, 1967, S. 93. Wie Professor Kot26 dazu schrieb, hielt Sikorski Bartels Haltung in den Jahren 1939-1941 für voller Würde, Verstand und Mut, und fahndete nach ihm in der Sowjetunion. Da er ihn dort nicht hat finden können, dessignierte er für diesen Posten Prof. Kot. Es soll betont werden, daß die Villa der Bartels in der Herburt-Straße 5 der Chef der gestapo in Lwów — Dr. Eberhard Schöngarth bezog, die Wohnung der Ostrowskis v. Menten beraubte, und die Wohnung von Professor Dobrzaniecki bezog ein Freund von Menten, ein Ukrainer — der Arzt Dr. Wreciono, der Bruder des Kommandanten der ukrainischen Polizeistelle in Lwów.

Als sich die Niederlage der nazistischen Kriegsführung zu zeichnen begann, trat die Gestapo 1943 heran, die Spuren ihrer Verbrechen über Polen, Juden, Ukrainer, Russen und andere Nationen zu verwischen. Es wurde von den Juden-Sklaven das sog. Sonderkommando 1005 gegründet, das zur Aufgabe hatte Gräber aufzugraben, die dort befindlichen Leichen herauszuholen, diese in den Krzywczycki-Forst zu befördern und dort zu verbrennen. Das 4 Jahre andauernde Morden von Menschen in Lwów fand auf einem Heide-Land, den sog. Piaski Janowskie und in dem Krzywczycki-Forst statt, der sich hinter der Stadtgrenze an der Lyczakowska-Straße befand. Wahrscheinlich ist Professor Bartel auf den Piaski Janowskie ums Leben gekommen und dort begraben worden*. In dem Krzywczycki-Forst wurden anfangs sowjetische Soldaten, und dann Polen, vor allem Juden gemordet. Die Beschreibung dessen, wie das Kommando 1005 gegründet wurde und worauf dessen Tätigkeit beruht hatte, bringt in seiner interessanten Arbeit u.d.T. TodesBrigade „Sonderkommando 1005" Leon Weliczker. Ein anderes Mitglied dieser Brigade, der Jude Edward Gleich bestätigte die Worte von Weliczker in einer großangelegten Zeugungs-Aussage, die er mir schriftlich überwies. Ich habe am 3. September 1944 zusammen mit Tomasz Cieszynski und drei Juden, Mitgliedern des Sonderkommandos 1005, das liquidierte Lager im Krzywczycki-Forst (Abb. 1) besucht. Spuren nach mehr als 10 Massengräbern (von einer Große von 5x5 bis 7x7 bei verschiedener Tiefe) waren immer noch gut erkennbar, obwohl die Leichen ausgegraben und verbrannt worden sind. Infolge von Ausgrabungsproben war eine stark mit Blut durchtränkte Erde zu sehen. Überall stank es nach verwesenden Leichen, obwohl sie schon vor langem verbrannt worden sind.

26 S. Kot, Listy z Rosji do Gen. Sikorskiego (Briefe aus Rußland an den General Sikorski), London 1956. S. 16.

Was für eine Organisation mußte da aufgestellt werden, um hundert tausende von gesunden Personen, Männern, Frauen und Kindern zu töten, zu vergraben und danach zu exhumieren und zu verbrennen. Wie viele Zehntausende von lebenden Juden wurden hierher mit Autos befördert, denen befohlen wurde, sich ihrer Kleidung zu entledigen — wonach sie getötet und sofort verbrannt wurden. Danach wurden die sterblichen Überreste durch Siebe geschüttelt, indem man goldene Zähne und im Speise — und Verdauungskanal und den weiblichen Geschlechtsorganen, versteckten Schmuck herausholte, wonach die nicht völlig verbrannten Knochen in einer Kiesmiihle gemahlen, und zusammen mit den sterblichen Überresten über dem Forst verschüttet wurden. Manchmal wurden an einem Tag 2400 Juden getötet, oder 3000 von den Exhumanierten verbrannt. Jan Weliczker und Gleich haben angegeben, daß am Vortag des großen jüdischen Feiertags Jom-Kipur, d.i. am 8. Oktober 1943, am späten Abend, aus dem im Krzywczycki-Forst befindlichen Lager, eine aus 20 Juden bestehende Mannschaft, unter der Führung von SS-Männern, zum Wuleckie-Hügel hin, ausmarschierte, um die Leichen der Professoren und ihrer Gefährten auszugraben. Als man, trotz auf der Tiefe von einigen Metern gegraben zu haben, dennoch nicht auf die Leichen stieß, begab sich einer der Offiziere zur Gestapo in der Pelczynska-Straße, und von dort kam ein Offizier höheren Ranges Kurt Stawizki gefahren. Ohne Zögerung wies er auf die richtige Stelle hin, was davon zeugen könnte, daß er am Erschießen der Professoren teilgenommen hatte. Man darf auch nicht vergessen, daß die Gestapo ein genaues Verzeichnis von jedem Grab führte, und daß die Zahl der in jedem Grab liegenden Personen genau bekannt war. Die Juden bemerkten, daß es diesmal „Menschen aus besseren Kreisen" waren, weil sie gute Kleidungsstücke trugen, und aus den Taschen goldene Uhren und Armbänder, Füllfederhalter mit dem Namen Nowicki, Ostrowski fielen. Die Juden errieten, daß es sich um das Grab der Professoren handelt, die in Lwów so gut bekannt waren. In Anbetracht dessen, daß mit diesen Professoren auch Professor Bartel verbunden wurde, der jedoch 24 Tage später als diese ums Leben kam, wovon die die Leichen Ausgrabenden aber nicht wußten, wurde mit einem Atemzug der Name von Bartel, zusammen mit denen von Ostrowski, Nowicki, Stozek und anderen genannt. Ich wurde mehrmals von manchen, sich für diesen Mord interessierenden Personen gefragt, ob man nicht die Leiche von Bartel in das Grab der Professoren hinzugegeben hatte. Was sollten auch die Deutschen mit einem solchen Handeln bezwecken wollen? Hatten sie wohl das Grab nur darum aufgegraben haben sollen, damit unbedingt alle Professoren in einem Grab lägen? Meiner Ansicht nach sind Bartel, Ruziewicz, Korowicz und Maczewski an einer anderen Stelle erschossen und vergraben worden, höchst wahrscheinlich auf den, in der Vorstadt von Lwów gelegenen Piaski Janowskie.

Die auf den Wuleckie-Hügeln exhumierten Leichen der erschossenen Professoren und ihrer Gefährten wurden sofort in den Krzywczycki-Forst befördert und am nächsten Tag, d.h. am 9. Oktober, wurden sie der Menge von einigen Hundert Leichen beigegeben und zusammen auf einem großen Scheiterhaufen verbrannt. Die verbliebenen Knochenreste wurden in einer Kiesmühle gemahlen, und zusammen mit den menschlichen Überbleibseln, in dem sich in dieser Umgebung befindenden Wald herumgeschüttet.

Am 6. Mai 1945 begab ich mich mit dem sowjetischen Schriftsteller Wladimir Bielajew an das geleerte Grab der Professoren, gelegen am Abhang der Wuleckie-Hügel. Bielajew beschäftigte sich mit der Tragödie dieser Professoren27 und veröffentlichte Angaben dazu. Er hat zuvor an dieser Stelle einige Patronenhülsen von einem kurzen Gewehr, Kleidungsfetzen und einen Schläfenbeinknochen gefunden, der von dem Anatomie-Professor Tadeusz Marciniak als Menschenknochen identifiziert wurde. Ich selbst fand jetzt auch noch eine Hülse, den Fetzen eines anderen Kleidungsstücks und einen menschlichen Mittelhandknochen. Wenn man das zugeschüttete Grab nochmals durchgraben würde, kämen gewiß noch mehr Sachen zum Vorschein, die das nazistische Verbrechen bezeugen würden.

Viele Polen sind such heute noch irrtümlich der Meinung, daß die Massaker der Professoren die Ukrainer verübt hätten. Wenn dem so wäre, würde nach dem Krieg ein Hamburger Staatsanwalt nicht zugegeben haben, daß dies ein Werk seiner Mitbürger — der Deutschen war.

27 W. Bielajew u. M. Rudnycki, Pod czuzymi znamienami (Unter fremden Fahnen), Verl. Molodaja Gwardia, 1954, S. 84-107; W. Bielajew, Granica w ogniu (Grenze im Feuer), Moskau 1967; derselbe, Tajnia Wulki (Geheimnis der Wulka), Lwowskaja Prawda, 4. Juli 1956; derselbe, Uczeni plona na stosach (Gelehrte brennen auf Scheiterhaufen), Czerwony Sztandar, 2. Dezember 1944; derselbe, Wiszniewyje Alleji — Zagadka Wuleckich Cholmow (Kirsehen-Aleen — Rätsel der Wuleckie-Hügel), Moskau 198t, S. 292-326.

Als Frau Doz. Helena Krukowska, an das Gericht in Ludwigshafen eine Anklageschrift wegen dem Ermorden ihres Gatten, dem Professor Wlodzimierz Krukowski eingeleitet hatte, schrieb ihr der Staatsanwalt Below, daß für diesen Mord: Himmler, Frank, Schöngarth, der SS-Standartenführer Heim und wahrscheinlich auch der SS-Hauptscharführer Horst Waldenburger verantwortlich sind, aber alle diese Menschen leben nicht mehr, und nach anderen Verantwortungstragenden werde gesucht. Dieser Staatsanwalt gab zu, daß nur die erschießende Equipe aus Ukrainern, in Uniform der SS-Formation gekleideten Übersetzern bestand.

1976 hat sich der Staatsanwalt Nachtigall-Marten aus Hamburg an mich gewandt, ich möge ihm die Namen der Gestapo-Leute angeben, die die Professoren verhaftet haben. Ich habe ihm die Namen der Offiziere: Hans Krüger, Walter Kutschmann, Kurt Stawizki und des Polizei-Kommandanten Kurt, der Unteroffiziere Hacke und Köhler und des Holländers Pieter Nikolaas Menten angegeben.

Frau Doz. Karolina Lanckoronska, 1943 von Hans Krüger28, dem Kommandanten der Gestapo in Stanislawow verhaftet, erfuhr von ihm, daß er der Gruppe angehörte, die in der tragischen Nacht vom 3. zum 4. Juli 1941 die Professoren verhaftet hatte. Krüger angetrunken, sicher, sie werde das Schicksal seiner 250 Opfer von Grundschullehrern, Oberschullehrern, Rechtsanwälten, Richtern, Ärzten und einigen Zehntausenden von Juden teilen, gestand, daß er an diesem Verbrechen teilgenommen hatte. Frau Lanckoronska wurde, im letzten Moment, dank Einspruch des italienischen Königshofs, aus den Krügerschen Klauen, an die Gestapo in Lwów befördert. Hier traf sie auf Walter Kutschmann, einen Feind von Krüger, dem sie gestand, sie kenne von Krüger das Geheimnis über die Professoren. Dieser verursachte in Berlin gegen Krüger eine Gerichtsverhandlung, wo dieser wegen Amtsgeheimnis-Verrat verurteilt wurde29. Frau Lanckoronska wurde ins Konzentrationslager Ravensbrück verschickt, woher sie jedoch infolge von Bemühungen ihres Freundes, des Professors C. Burckhardt, des Präsidenten der Internationalen Rotes Kreuz-Organisation, freigelassen wurde. Eine sehr interessante Schilderung dieser Erlebnisse veröffentlichte Frau Lanckoronska in den Nummern 46-48 des in London herausgegebenen „Orzel Bialy"30, die im Jahre 1964 von mir teilweise wiederholt wurde.

28 Hans Krüger stammte aus dem Gebiet um Poznan (ehem. Posen) und soll gut polnisch gesprochen haben, darum meinten die Einwohner von Stanislawöw, er wäre ein Volksdeutscher.
29 Nach Ende des II. Weltkrieges gab Krüger an, man habe ihn verurteilt wegen seiner, dem Hitler-Regime feindlichen Einstellung, und nicht wegen seinem Verrat am Dienstgeheimnis.
30 Siehe Dok. Nr. 16.

Nach dem Krieg, stets im Ausland weilend, bekam Frau Lanckoronska eines Tages in der Zeitung zu lesen, daß in Münster eine Gerichtsverhandlung gegen Krüger geführt wird, der um das Ermorden Tausender von Juden - aber nicht Polen — in Stanislawow beschuldigt werde. Sie meldete sich in diese Verhandlung als Zeuge und sprach gegen Krüger aus, indem sie ihn um das Ermorden der Professoren beschuldigte. Das Gericht war jedoch der Meinung, daß es keine Beweise dafür gibt, daß Krüger die Professoren aus Lwów ermordet hat, indem es die Auffassung vertrat, daß die von ihr angeführte Krügersche Aussage darüber, womöglich nur Prahlerei sein konnte, und ein Versuch, die Verhaftete dadurch zu erschrecken. Krüger wurde jedoch für seine Verbrechen in Stanislawow, zum lebenslänglichen Zuchthaus verurteilt. Den in Deutschland geltenden Rechtsanordnungen gemäß kann einer, dem das höchste Strafurteil beigemessen wird (es gibt hier keine Todesstrafe), für andere, wenn auch schwerere Verbrechen, nicht mehr zur Verantwortung herangezogen werden. Dies eben machte es unmöglich, über Krüger wegen Mord an den Professoren, Gericht zu halten. Auf die Forderung von Wladyslaw Zelenski hat der Staatsanwalt Krüger verhört; dieser jedoch leugnete es ab, an dem Verbrechen in Lwów teilgenommen zu haben. Der Staatsanwalt gewährte den Untersuchungen Bewährungsfrist in der Meinung daß weitere Erläuterungen jetzt schon von den Historikern vorgenommen werden müssen. Alle Bemühungen von Frau Doz. Lanckoronska, Frau Doz. Krukowska und von Wladyslaw Zelenski dem Neffen von Tadeusz Boy-Zelenski — und anderen Personen, konnten die Angelegenheit, die Übeltäter der blutigen Julinacht vors Gericht zu stellen, nicht vorwärts bringen. Wladyslaw Zelenski veröffentlichte eine Reihe von Artikeln in den in London erscheinenden „Wiadomosci" zum Thema des Verbrechens in Lwów31. Er berichtigte auch in der Zeitschrift „Die Welt" die lügenhafte Information, daß der an den Professoren verübte Mord einen ganz einfach rassischen Hintergrund gehabt haben soll, da die Ermordeten Juden gewesen seien. Zelenski hat bewiesen, daß es unter den am 4. Juli erschossenen 22 Professoren keinen einzigen Juden gab32.

31 W. Zelenski, Odpowiedzialnosc za mord profesorow lwowskich (Verantwortung für den Mord an Professoren aus Lwów), Wiadomosci, Jahr XXIX, Nr. 17, 5. Mai 1974; derselbe, By skonczyc ze zmowa milczenia (Um mit der stillschweigenden Übereinkunft aufzuhören), ibidem, Nr. 18, 12. Mai 1974; derselbe, Podroze profesorow lwowskich do Moskwy w r. 1940 [Reisen der in Lwów tätigen Professoren nach Moskau im Jahre 1940), ibidem, Nr. 1523, 8. Juni 1975.
32 W. Zelenski, Ungeklaerter Mord in Lwów, Die Welt, 5/6 VII 1974. Antwort auf den Artikel von W. Kahl und W. Pfuhl, Krach zwischen „DDR" und Polen wegen Rehabilitation Oberländers, in Die Welt vom 4. Juli 1975.

Der am 22. Juli ermordete Henryk Korowicz war zwar jüdischer Abstammung, aber er trug einen polnischen Namen, und die Nazis verhafteten ihn ganz sicher nicht als einen Juden, sondern als einen polnischen Gelehrten, ähnlich wie jene 22, und auch Ruziewicz und Bartel.

Viele Polen kamen mit der Frage auf, woher die Deutschen das Verzeichnis der zur Hinrichtung bestimmten Professoren hatten. Für diese Angelegenheit ist das aber keine wesentliche Sache, da man Namen samt Adresse, wenn auch nur, aus einem vor dem Krieg erscheinenden Telefonbuch entnehmen konnte. Man kann aber den Worten von Walter Kutschmann glauben, der Frau Doz. Lanckoronska erklärte, daß dieses Verzeichnis der Gestapo von den Ukrainern geliefert wurde. Zum Glück hat man in diesem Verzeichnis nur 25 Professoren erfaßt, an der Universität selbst gab es doch 158 Professoren und Dozenten, und dazu kommen noch die groß angelegte Politechnische Hochschule, die Weterinär-Akademie und die Akademie für Außenhandel.

Mit Berücksichtigung dessen, daß die Gestapo in jener Juli-Nacht nach den während des Krieges Verstorbenen, dem Augenarzt, Professor Adam Bednarski und dem Dermatologen, Professor Roman Leszczynski33 fahndete, ist anzunehmen, daß das Verzeichnis noch in Krakau aufgestellt worden ist. Infolge dessen, daß Krakau, durch das Ansetzen einer Grenze von Lwów getrennt wurde, wußte man in Krakau nicht, wer zu dieser Zeit in Lemberg gestorben ist. Es ist höchst wahrscheinlich, daß die Krakauer Gestapo, vor Ausbruch des deutsch-sowjetischen Krieges, von den Ukrainern — Studenten und Absolventen der Hochschulen in Lwów — gefordert hatte, ihr die Namen und Adressen der ihnen bekannten Professoren anzugeben. Daher ein, zum Glück, so relativ kurzes Namenverzeichnis.

1954 wurde auf Anregung des Dermatologen, Professor Henryk Mierzecki in Wroclaw (ehem. Breslau) ein Inter-Hochschul-Kommitee zu Ehren der Wissenschaftler aus Lwów gegründet, mit der Voraussetzung, einen Fonds für den Bau eines geeigneten Denkmals in Wroclaw anzusammeln. Dank der Tatkraft und den Bemühungen des Kommitee-Mitglieds, Professor Wiktor Wisniewski, erfolgte am 3. Oktober 1964 am Grunwaldzki-Platz in Wroclaw eine feierliche Enthüllung dieses Denkmals, eines Werks des Bildhauerkünstlers Borys Michalowski. Die Enthüllung vollbrachte der ehemalige Rektor der Universität in Lwów, Professor Stanislaw Kulczynski, dazumal Vorsitzender des Staatsrates. Jedoch infolge eines Auftrags der 33 Dem Gerücht, daß in dieser Nacht ein Versuch unternommen wurde, Prof. Napoleon Gijsiorowski zu verhaften, trat die Witwe, in einem an mich gerichteten Brief, entgegen. Behörden befindet sich an dem Denkmal eine Inschrift, daß es zu Ehren aller während der Hitler-Okkupation getöteten und gestorbenen polnischen Wissenschaftler errichtet worden ist, anstatt namentlich zu Ehren der errnordeten Professoren. Professor Kulczynski sprach in seiner schönen Rede, während der Enthüllung des Denkmals, ausschließlich von den ermordeten Professoren.

Im Jahre 1966 zum 25. Jahrestag des Todes der Professoren wurde in der Franziskaner-Kirche in Krakow eine Gedenktafel mit den Namen der Opfer des Nazismus errichtet. Leider wurde dort der Name von Professor Stanislaw Ruziewicz weggelassen. Neben dieser Gedenktafel befindet sich ein Einzelepitaphium zu Ehren von Professor Kazimierz Bartel.

Am 29, Juni 1981, einige Tage vor dem 40. Jahrestag des Ermordens der Professoren aus Lwów, wurden zwei Gedenktafeln mit den Namen dieser Naziopfer enthüllt: eine auf Anregung von Professor Wlodzimierz Trzebiatowski — im Hall der Abteilung der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Wroclaw, in der Podwale-Straße 75, und die zweite, auf Anregung des Rektors der Universität in Wroclaw, des Professors Kazimierz Urbanik — im Gang des Hauptgebäudes der Universität. Das Enthüllen der letztgenannten Gedenktafel war mit einer, von der Universität organisierten, feierlichen wissenschaftlichen Tagung verbunden. Am Vortag der 36. Jahresfeier zum Gedenken des ersten, in polnischer Sprache gehaltenen Vortrags an der Universität und der Technischen Hochschule34 in Wroclaw, d.h. am 14. November 1981, erfolgte das Enthüllen einer weiteren Gedenktafel mit den Namen der ermordeten Professoren, diesmal vor dem Denkmal am Grun-waldzki-Platz, das 1964 errichtet worden war. Die Gedenktafel wurde von den Senaten der Akademischen Hochschulen der Stadt Wroclaw subventioniert. Auf diese Weise hörte das Denkmal auf, anonym zu sein: Menschen, die dafür nicht mit Geld sparten, erlebten es endlich, daß ihre edlen Intenzen Erfüllung fanden. Die Feier spielte sich in gehobener Stimmung ab. Um das Denkmal herum scharrten sich, beim Klang des Trauermarsches von Chopin, die Fahnengruppen von Studenten aller Akademischen Hochschulen, eine Delegation der AK {Landesarmee) des Bezirks Lwów mit ihrer Fahne, alle Rektoren und Prorektoren in Roben 34 Von 1945 bis zum 31. Dezember 1949 waren die Universität und die Technische Hochschule in Wroclaw unter dem Zepter eines Rektors, des Professors Stanislaw Kulczynski und mit Insignien, Familien der ermordeten Professoren, deren Schüler und Freunde, und auch Unmengen der Einwohner von Wroclaw.

Als erster ergriff das Wort der Vorsitzende des Rektoren-Kollegiums, Professor Marian Wilimowski — Rektor der Medizinischen Akademie; danach hielten noch eine Rede — im Namen der Schüler nach den ermordeten Professoren, Professor Wiktor Wisniewski, und im Namen der Polnischen Akademie der Wissenschaften, Professor Boguslaw Bobranski. Das Enthüllen der Gedenktafel wurde von der Witwe nach Professor Witkiewicz, Dr. Maria Witkiewicz vollbracht. Der Bischof Urban weihte die Gedenktafel, das Denkmal und eine mit Erde von der Hinrichtungsstelle in Lwów gefüllte Urne ein, und daraufhin verrichtete er die Exequien, da die Verstorbenen ja kein Begräbnis zuvor hatten. Die Urne wurde von dem Dozenten Tomasz Cieszynski, dem Sohn des ermordeten Professors Antoni Cieszynski eingemauert. Nachdem man Kränze und Blumensträuße abgelegt hatte, sangen die Versammelten Die Rotte von Maria Konopnicka, und nach das Orchester den Trauermarsch von Chopin gespielt hatte, erfolgte das Ende der Feier. Auch in Lwów hatte man vor, das Andenken der, von den Nazis gemordeten Professoren zu ehren. An der Stelle, wo die Hinrichtung stattgefunden hatte, am Abhang der Wuleckie-Hügel, begann man 1956 ein Denkmal zu bauen. Das Gerüst stand schon fertig, es wurden die Umrisse des Denkmals ausgeführt, bald danach aber hat man die weitere Ausführung abgebrochen, und nach Jahren wurde auch das Gerüst auseinandergesetzt, wobei das Gelände, nach Abräumen der Bauelemente, ausgeglichen wurde.

Das Erschießen der ermordeten Professoren war schon 1964 Thema einer ausführlichen Behandlung. Dank den Bemühungen von Professor Jozef Bogusz erschien im ersten Heft der in Oswiecim (Auschwitz) erscheinenden Schrift „Przeglad Lekarski" die Arbeit von Zygmunt Albert u.d.T. Das Ermorden von 25 Professoren der Hochschulen in Lwów durch die Nazis im Juli 194135. Dieselbe Arbeit, etwas geändert und gekürzt, wurde in Band II des Werkes Okupacja i medycyna36 veröffentlicht. In beiden diesen Arbeiten wurden kurze biographische Skizzen aller ermordeten Dozenten und Professoren, als auch Aufnahmen von Professoren der Medizinischen Fachrichtung gebracht.

35 Przeglad Lekarski 1964, Jhrg. XX, S. 58-77.
36 Okupacja i medycyna (Okkupation und Medizin), Warschau 1975, Bd. II, S. 168-188.

In der vorliegenden Publikation werden die Aufnahmen aller {mit Ausnahme von Professor Korowicz, dessen Aufnahme es, trotz intensiven Suchversuchen sogar bei seiner Familie, nicht aufzufinden gelang) ermordeten Professoren und deren Familien, diesmal betreff aller Hochschulen dargeboten. Es werden hier auch neue Einzelheiten betreff das Erschießen selbst angeführt, und über geführte Untersuchungen und auch Strafverfolgung und Entdeckung der Übeltäter, die dieses Verbrechen verübt hatten — welche von Polen in der Emigration und im Lande vorgenommen worden sind. Die in den USA erscheinende Wochenschrift „Gwiazda Polarna" hat im Juni 1975 die erste Fassung der oben erwähnten Arbeit abgedruckt, jedoch ohne Aufnahmen. Auf diese Weise hat die Welt noch ein grausames Verbrechen kennengelernt, das von den Nazis verübt wurde, diesmal an Gelehrten dieser Nation, deren Vernichtung sie viele Jahre zuvor sorgfältig geplant hatten.

Die in der jetzigen Arbeit angebrachte Dokumentation, unter schwierigen Bedingungen seit Juli 1942 ununterbrochen angesammelt, versucht eine Erklärung über das Geheimnis des Mords in Lwów zu bringen, und diese Ergebnisse dem Gedächtnis einzuprägen.

Möge dieses Buch, ähnlich wie die eingemauerte Gedenktafel- und das Denkmal, unser Huldigungseid, den ermordeten Professoren gegenüber abgelegt, sein, und andauernd Diese in Erinnerung der folgenden Generationen bringen! Möge sich ein derartiges Verbrechen nie wieder wiederholen!

Übersetzt von Eryka Konopka

     

Persons murdered on 4th July 1941 in the Wulecka-Hills dell

  1. Prof. Dr Antoni Cieszynski, age 59 Chairman of Stomatology, UJK
  2. Prof. Dr Wladyslaw Dobrzaniecki, age 44, head of Surgery, PSP
  3. Prof. Dr Jan Grek, age 66, , Chairman of. Internal Diseases, UJK
  4. Maria Grekowa, age 57, wife of prof. Grek
  5. Doc. Dr Jerzy Grzedzielski, age 40, Chairman of Ophtalmology UJK
  6. Prof. Dr Edward Hamerski, age 43, Chairman of Internal Diseases, AWL
  7. Prof. Dr Henryk Hilarowicz, age 51, Chairman of Surgery, UJK
  8. Priest Dr teol. Wladyslaw Komornicki, age 29, relative of Mrs Ostrowska
  9. Eugeniusz Kostecki, age 36, husband of prof. Dobrzaniecki's housekeeper
  10. Prof. Dr Wlodzimierz Krukowski, age 53, Chairman of Electrical Measurements, PL
  11. Prof. Dr Roman Longchamps de Berier., age 59 Chairman of Civil Law, UJK
  12. Bronislaw Longchamps de Berier, age 25, PL-graduate, son of professor
  13. Zygmunt Longchamps de Berier, age 23, PL-graduate, son of professor
  14. Kazimierz Longchamps de Berier, age 18, Secondary school-graduate, son of professor
  15. Prof. Dr Antoni Lomnicki, age 60, Chairman of Mathematics, PL
  16. Adam Miesowicz, age 19, Highschool graduate, grandson of professor Solowij
  17. Prof. Dr Witold Nowicki, age 63, Chairman of Pathological Anatomy, UJK
  18. Dr med. Jerzy Nowicki, age 27 , senior assistant of the Chair Hygiene, UJK, son of professor
  19. Prof. Dr Tadeusz Ostrowski, age 60, Chairman of Surgery , UJK
  20. Jadwiga Ostrowska, age 59, wife of prof. Ostrowski
  21. Prof. Dr Stanislaw Pilat, age 60, Chairman of Petrol and Earth-Gas Technology ,PL
  22. Prof. Dr Stanislaw Progulski, age 67, Chairman of Pediatrics UJK
  23. Ing. Andrzej Progulski, age 29, son of professor
  24. Prof. Dr Roman Rencki, age 67, Chairman of Internal Diseases, UJK
  25. Dr med. Stanislaw Ruff, age 69, , Chairman of Surgery, Jewish Hospital taken from prof. Ostrowski's flat with his family
  26. Anna Ruffowa, age 55, wife of dr Ruff
  27. Ing. Adam Ruff, age 30, son of dr Ruff
  28. Prof. Dr Wlodzimierz Sieradzki, age 70, Chairman of Forensic Medicine, UJK
  29. Prof. Dr Adam Solowij, age 82, ret, Chairman of Obsterics and Gynaecology, PSP
  30. Prof. Dr Wlodzimierz Stozek, age 57, , Chairman of Mathematics PL
  31. Ing. Eustachy Stozek, age 29, ass. PL, son of professor
  32. Emanuel Stozek, age 24, PL-graduate, son of professor
  33. Dr iur. Tadeusz Tapkowski, age 44, taken from professor Dobrzaniecki's flat
  34. Prof. Dr Kazimierz Vetulani, age 52, Chairman of Theoretical Mechanics PL
  35. Prof. Dr Kacper Weigel, age 61, , Chairman of Measurements PL
  36. Mgr iur. Jozef Weigel, age 33, son of professor
  37. Prof. Dr Roman Witkiewicz, age 61, Chairman of Mechanical Measurements PL
  38. Prof. Dr Tadeusz Boy-Zelenski, age 66, writer, Chairman of French Literature at the University, arrested in prof. Grek's flat

    Persons murdered on 4th July 1941 in the courtyard of the hostel of Abramowicze:

  39. Katarzyna Demko, age 34, teacher of English, taken from apartment of Prof. Ostrowski
  40. Doc. Dr Stanislaw Maczewski, age 49, Chairman of Obsterics and Gynaecology, PSP
  41. Maria Reymanowa, age 40, nurse taken from apartment of Prof. Ostrowski
  42. Wolisch, age 40-45, businessman taken from prof. Sieradzki's flat

    Persons murdered on 12th July 1941:

  43. Prof. Dr Henryk Korowicz, age 53, Chairman of Economics, AHZ
  44. Prof. Dr Stanislaw Ruziewicz, age 53, Chairman of Mathematics, AHZ

    Person murdered in prison on 26th July 1941:

  45. Prof. Dr Kazimierz Bartel, age 59, Chairman of Design Geometry, PL, former prime minister of Polish Republic (three terms of office), who has been arrested already on 2nd July 1941,

The acronyms for Institutions are:

  • AHZ, Akademia Handlu Zagranicznego (Academy of Foreign Trade);
  • AWL, Akademia Weterynaryjna we Lwowie (Academy of Veterinary Sciences in Lwow);
  • PL, Politechnika Lwowska (Lwow Institute of Technology) ; PSP, ;
  • UJK, Uniwersytet Jana Kazimierza (The University of the King Jan Kazimierz) ;

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